PostureCare: Vermeidung von Körperhaltungsschäden in der Pflege
Forschende entwickeln ein Schulungssystem, das Pflegekräfte mit Sensorik und Mixed Reality für ergonomisches Arbeiten sensibilisiert.
Rückenschmerzen zählen laut Robert Koch-Institut, Statista und AOK Gesundheitsatlas zu den häufigsten Krankheitsursachen in Deutschland. Besonders betroffen sind Pflegefachkräfte, die beim Heben, Umlagern und Versorgen von Patient*innen hohen körperlichen Belastungen ausgesetzt sind. Umso wichtiger ist es, ergonomisches Arbeiten bereits in der Ausbildung zu vermitteln und Rückenbeschwerden frühzeitig vorzubeugen. An diesem Punkt setzt das Transferprojektes „PostureCare – Vermeidung von Körperhaltungsschäden in der Pflege“ an.
Projektziel und Vorgehensweise
Forschende der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, des OFFIS – Institut für Informatik und des Praxispartners MinkTec GmbH entwickeln ein innovatives Schulungssystem, das Pflegefachkräfte dabei unterstützt, gesundheitsschädigende Bewegungen zu vermeiden. Mithilfe digitaler Sensorik und interaktiven Rückmeldungen sollen die Fachkräfte frühzeitig auf Fehlhaltungen aufmerksam gemacht und für ergonomisches Arbeiten sensibilisiert werden.
Dazu werden die Forschenden eine Mixed-Reality-Umgebung aufbauen, in der Tätigkeiten aus der Pflegepraxis realitätsnah abgebildet werden. In dieser virtuellen Umgebung können die Pflegefachkräfte ergonomische Bewegungen trainieren. Um Situationen mit besonders hoher körperlicher Belastung nachzustellen, werden reale Objekte (sog. „Physical Props“) eingesetzt. Während die Pflegefachkräfte die Tätigkeiten ausführen, tragen sie ein T-Shirt, in dem eine Sensorleiste integriert ist. Die Sensoren erfassen Daten zur Haltung und Belastung der Wirbelsäule. Auf diese Weise können gesundheitsschädigende Bewegungen erkannt werden. Ziel ist es, den Pflegefachkräften einerseits unmittelbar eine Rückmeldung, z. B. durch Vibration zu ihrer Fehlhaltung zu geben. Andererseits können sie in der Schulungsumgebung ihre Körperhaltung und die Belastung der Wirbelsäule in einem Re-Play an ihrem eigenen virtuellen Avatar erneut ansehen. So können die Fehlhaltungen leicht wahrgenommen und zukünftig vermieden werden.
Um möglichst körperintensive Pflegetätigkeiten zu identifizieren, werden die Forschenden Expertenbefragungen durchführen und eine Anforderungsanalyse an das Schulungssystem erstellen. Dies beinhaltet auch Anforderungen an das Schulungskonzept, an die Datenhaltung und -analyse, an das Feedback des Sensor-Shirts und an die Gestaltung des Gesamtsystems. In einem weiteren Schritt werden die Forschenden die Pflegesituationen (z. B. das Umlagern von Patient*innen – auch für verschiedene Gewichtsklassen) modellieren und virtuell abbilden. Geplant ist, die Visualisierung in der Mixed-Reality-Umgebung sowie das Feedbacksystem des Sensor-Shirts in einen Demonstrator zugänglich zu machen und im Rahmen einer Studie zu evaluieren.
Aus wissenschaftlicher Sicht werden wir in diesem Transferprojekt untersuchen, wie realitätsnah körperlich belastende Pflegeszenarien für Schulungszwecke in Mixed-Reality-Umgebungen umgesetzt werden können. Außerdem interessiert uns, wie das Feedbacksystem gestaltet sein muss, um sowohl gezielt Fehlhaltungen als auch Empfehlungen für entlastende Körperhaltungen in der Situation zu vermitteln. Eine weitere Forschungsfrage beschäftigt sich damit, wie die individuelle Wirbelsäulencharakteristik in der Haltungsbewertung berücksichtigt werden kann.
    Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Assistenzsysteme und Medizintechnik
Erkenntnisse aus den Zukunftslaboren
Die Forschenden bringen Erkenntnisse aus ihrer Forschung in den Zukunftslaboren Gesellschaft & Arbeit sowie Gesundheit in das Transferprojekt PostureCare ein: Das Zukunftslabor Gesellschaft & Arbeit hatte Studien zur Nutzung von Mixed Reality in der Produktion durchgeführt und verfügt somit über Erfahrungen im Aufbau und der Umsetzung virtueller Trainingssituationen. Die Forschenden hatten bereits im Zukunftslabor die Bedürfnisse der Nutzer*innen im Blick, so wie es auch im Transferprojekt der Fall sein wird.
Im Zukunftslabor Gesundheit wurde bereits ein System aufgebaut, das die Haltung und Belastung von Pflegepersonal beim Umlagern von Patient*innen erfasst, visualisiert und auf die Korrektur der Haltung hinweist. Somit bringen die Forschenden ihre Expertise zum Einsatz digitaler Technologien für das Monitoring von Bewegungsabläufen ins Transferprojekt ein. Im Unterschied zu PostureCare basiert das System des Zukunftslabors Gesundheit auf Bewegungs- und Kraftmessungen mithilfe von Kameras, Inertial Measurement Units und Kraftmessplatten.
Der Praxispartner MinkTec GmbH stellt sein entwickeltes Sensor-Shirt für das Transferprojekt zur Verfügung. Der Sensorstreifen erkennt die Haltung und Belastung der Wirbelsäule. Die Daten werden auf einem digitalen Dashboard angezeigt. Bisher wurde das Sensor-Shirt vor allem in Alltagssituationen verwendet und noch nicht speziell im Kontext Pflege. Durch das Transferprojekt wird MinkTec das Einsatzgebiet ausweiten, sodass das Sensor-Shirt perspektivisch auch in anderen (Arbeits-)Bereichen mit hoher körperlicher Belastung eingesetzt werden kann.
Ein erfolgreich erprobter Einsatz des PostureCare Systems in der Pflege ermöglicht einen schnellen Transfer in andere Branchen, in denen Haltungsschäden eine große Rolle spielen: z. B. in der Produktion und Fertigung, im Handwerk, im Sport sowie in der Alltagsgesundheit. Angesichts des großen Fachkräftemangels in vielen Branchen kommt der Prävention von Gesundheitsschäden eine enorme Bedeutung und damit eine gesellschaftliche Aufgabe zu.
    OFFIS – Institut für Informatik, FuE-Bereich Gesellschaft
Beteiligte ZDIN Einrichtungen:
Beteiligte Wissenschaftler*innen:
- Prof. Dr. Susanne Boll-Westermann (Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, OFFIS Institut für Informatik)
 - Prof. Dr.-Ing. Andreas Hein (Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, OFFIS Institut für Informatik)
 - Dr.-Ing. Sandra Hellmers (Carl von Ossietzky Universität Oldenburg)
 - Dr.-Ing. Wilko Heuten (OFFIS Institut für Informatik)
 - Benjamin Holmer (MinkTec GmbH)
 
Ansprechperson
Laufzeit
| Beginn: | 01.10.2025 | 
| Ende: | 30.09.2026 |