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Jetzt anmelden13.06.2023
Digitalisierung in der Landwirtschaft bedeutet die Vernetzung von Maschinen, Prozessen und Akteuren. Die Bewirtschaftung des Ackers (Bodenbearbeitung, Aussaat, Pflanzenschutz, Ernte) und die Tierhaltung (Fütterung, Vitaldatenüberwachung, Medikamenteneinsatz) werden automatisiert und mechanisiert. Hierdurch werden zahlreiche Daten generiert, die mit verschiedenen Stakeholdern wie dem Veterinäramt, staatlichen Aufsichtsbehörden und Wirtschaftspartnern geteilt werden. Dabei sind Datensicherheit und -transparenz entscheidende Aspekte: Viele Digitalisierungsprozesse in der Landwirtschaft können nur dann erfolgreich durchgeführt werden, wenn die Daten den Betrieb verlassen und zwischen den Akteuren der Wertschöpfungskette ausgetauscht werden (Transparenz). Auf der anderen Seite haben die Landwirt*innen ein legitimes Interesse daran, die Hoheit über sensible Betriebsdaten zu wahren (Sicherheit). Dieser Zwiespalt wird als „Geschützte Transparenz“ bezeichnet.
Neben der Automatisierung und Mechanisierung spielt auch die Digitalisierung organisatorischer Prozesse im Gesamtgefüge eine große Rolle. Um das Zusammenspiel von Digitalisierung und Organisationsmerkmalen niedersächsischer Landwirtschaftsbetriebe besser zu verstehen, wählten die Wissenschaftler*innen des Zukunftslabors Agrar einen Mixed-Methods-Ansatz mit quantitativen und qualitativen Methoden.
Zunächst führten sie eine quantitative Online-Umfrage durch, an der insgesamt 33 landwirtschaftliche Unternehmen der Hühner- und Schweinemast sowie Milchviehhaltung in Niedersachsen teilnahmen. Ziel dieser Umfrage war es, den Automatisierungsgrad verschiedener Betriebsdatenflüsse und gesetzlicher Dokumentationspflichten sowie die sich daraus ableitenden zeitlichen und monetären Kosten für die Unternehmen zu ermitteln. Die Auswertung ergab, dass Landwirt*innen in der Masthühnerhaltung und in der Mastschweinehaltung ihre Daten vor allem mit Qualitätssicherungskontrolleuren, Bestandstierärzt*innen und staatlichen Stellen teilen. Landwirt*innen in der Milchviehhaltung teilen ihre Daten insbesondere mit Bestandstierärzt*innen und Molkereien. Außerdem zeigte die Umfrage, dass die Automatisierung der Datenerhebung bei den Hühnermastbetrieben mit 47 % am weitesten fortgeschritten ist, gefolgt von Milchvieh- (43 %) und Schweinemastbetrieben (36 %). Zudem stellten die Wissenschaftler*innen fest, dass die Datenübermittlung im Zusammenhang gesetzlicher Dokumentations- und Meldepflichten in jeder Wertschöpfungskette weit überwiegend manuell in Papierform erfolgt. Automatisierte Formen der Dateneingabe- und Übermittlung spielten im Vergleich kaum eine Rolle.
Darüber hinaus führten die Wissenschaftler*innen qualitative Expert*inneninterviews durch, um von Landwirt*innen zu erfahren, wie sie die Einflüsse der Digitalisierung auf ihre Arbeit bewerten. Insgesamt interviewten sie zwölf niedersächsische Landwirt*innen aus den Wertschöpfungsketten Hühner- und Schweinemast sowie Milchviehhaltung. Dazu zählten sowohl kleine und mittlere als auch größere Betriebe. Die Ergebnisse legen drei zentrale Handlungsbedarfe offen: Schnittstellenprobleme, Akzeptanzhemmnisse und Datenhoheit.
Zu den Schnittstellenproblemen gehören „analoge Absurditäten“ (z. B. PDF wird ausgedruckt und per Post verschickt), Medienbrüche (z. B. im Stall noch handschriftliche Notizen, im Büro vermehrte Nutzung von Excel-Dateien und ersten Management-Tools) sowie doppelte Datenerhebung in verschiedenen Softwaresystemen aufgrund mangelnder Kompatibilität. Mit Akzeptanzhemmnissen ist gemeint, dass die Betriebsleiter*innen zögern, digitale Technologien einzuführen. Gründe sind u. a. geringe Investitionskapazitäten, Ungewissheit hinsichtlich Ressourceneinsparung und Produktivitätssteigerungen sowie auch das Nicht-Vorhandensein externer Angestellter, die hiervon profitieren könnten.
In den meisten mittelständischen Milchviehbetrieben wird der Großteil der Arbeit von Familienmitgliedern erledigt. Dies bedeutet, dass die Arbeitsabläufe und der Informationsaustausch traditionell informell organisiert sind. Die unmittelbarste Auswirkung der Digitalisierung auf diese informellen Arbeitsabläufe war für die meisten befragten Landwirt*innen die Nutzung von Messaging-Diensten, um den täglichen Informationsaustausch zu erleichtern
Darüber hinaus befürchten die interviewten Landwirt*innen eine „gläserne“ Überwachungskultur zu ihrem Nachteil, insbesondere wenn es darum geht, Subventionen vom Staat bzw. von der Europäischen Union zu erhalten. Sie sind besorgt, dass sie immer mehr sensible Informationen offenlegen müssen, um Subventionen zu erhalten. In diesem Zusammenhang wünschen sie sich mehr Transparenz bei staatlichen Instanzen und konkrete Ansprechpersonen.
Zu diesem Thema sind folgende wissenschaftliche Veröffentlichungen erschienen:
Die Ergebnisse der Online-Umfrage und der Expert*inneninterviews werden in verschiedenen Workshop-Formaten diskutiert. Zielgruppe dieser Workshops sind sowohl Landwirt*innen aller drei Wertschöpfungsketten als auch andere Stakeholder, die am Austausch landwirtschaftlicher Daten beteiligt sind. Ziel ist es, aus verschiedenen Perspektiven heraus Probleme zu identifizieren und Lösungsansätze zu entwickeln.
Zudem soll die Online-Umfrage neu strukturiert und deutschlandweit neu ausgerollt werden, um eine noch größere Datengrundlage zu erhalten. Auch teilprojektübergreifende Datenanalysen werden in Zukunft eine größere Rolle spielen.