NEWSLETTER ABONNIEREN
Sie interessieren sich für die Projekte und Ergebnisse unserer Zukunftslabore? Unser Newsletter fasst die wichtigsten Ereignisse alle zwei Monate zusammen.
Jetzt anmeldenLandwirt*innen müssen eine Vielzahl gesetzlicher Auflagen erfüllen. Sie sind dazu verpflichtet, Angaben über die Bewirtschaftung von Ackerflächen bzw. über die Tierhaltung zu machen. Im Pflanzenanbau müssen sie u. a. die ausgebrachten Düngemittel melden. In der Tierhaltung ist z. B. der Tierbestand jährlich mitzuteilen, ebenso sind der Medikamenteneinsatz und die tägliche Kontrolle der Klima- und Lüftungsanlagen zu dokumentieren. Die Landwirt*innen können diese Daten mühsam manuell erheben oder automatisiert mithilfe digitaler Technologien. Aktuell werden z. B. bereits Melkroboter eingesetzt, die Informationen zur Milchmenge und -qualität erfassen. Solche Technologien helfen dabei, neben ihrem primären Zweck – in diesem Fall das Melken – bei der Datenerfassung Zeit zu sparen. Und dies ist nur ein Beispiel, wie die Digitalisierung Landwirt*innen bei der Erfassung und Übermittlung gesetzlich erforderlicher Daten unterstützen kann. Denn die Landwirt*innen müssen die Daten an verschiedene staatliche Stellen (z. B. Aufsichtsbehörden oder Veterinärämter) übermitteln oder zur Überprüfung bei Vor-Ort-Kontrollen dokumentieren und bereithalten. Hier sind effiziente Prozesse erforderlich, um die Landwirt*innen zu entlasten.
Das Zukunftslabor Agrar hatte bereits im Forschungsjahr 2022 mit einer Umfrage unter Landwirt*innen begonnen, um sich einen Überblick über den aktuellen Stand der Digitalisierungsprozesse zu verschaffen. Diese Umfrage vertieften die Wissenschaftler*innen im Forschungsjahr 2023, indem sie die Umfragestruktur anpassten und einige Fragen überarbeiteten. Anschließend verschickten sie die Umfrage an einen erweiterten Personenkreis, um noch aussagekräftigere Ergebnisse zu erhalten. Insgesamt nahmen rund 180 deutsche landwirtschaftliche Betriebe aus der Hühner- und Schweinemast sowie aus der Milchviehhaltung teil. Die Fragen bezogen sich auf zwei Themengebiete: erstens die Automatisierung der Datenflüsse und die Identifikation relevanter Stakeholder sowie zweitens den Aufwand zur Erfüllung gesetzlicher Meldepflichten.
Ergebnisse der Umfrage
Die Umfrage ergab, dass in der Hühnermast fast 50 % der Daten manuell erfasst werden, in der Milchviehhaltung sind es rund 40 % und in der Schweinemast über 60 %. Stakeholder, mit denen besonders viele Daten geteilt werden, sind in der Hühner- und Schweinemasthaltung vor allem staatliche Stellen, Bestandstierärzt*innen und Einrichtungen zur Qualitätssicherung. In der Milchviehhaltung sind es ebenfalls staatliche Stellen und Bestandstierärzt*innen sowie zudem spezielle Einrichtungen zum Milchqualitätsmanagement. Der Automatisierungsgrad der Datenerfassung in den Betrieben hängt mit verschiedenen Faktoren zusammen: Tendenziell ist er bei jüngeren Betriebsleitungen höher als bei älteren. Berufserfahrung und höheres Bildungsniveau wirken sich positiv auf den Automatisierungsgrad aus. Zudem verfügen größere Unternehmen in der Regel über einen höheren Automatisierungsgrad, ebenso wie Unternehmen, die sich auf einen der drei Wirtschaftszweige (Huhn, Schwein, Milchvieh) spezialisiert haben.
Darüber hinaus zeigen die Umfrageergebnisse, dass die Landwirt*innen ihren gesetzlichen Aufzeichnungs- und Meldepflichten am häufigsten durch Aufzeichnung von Daten vor Ort nachkommen. Diese Aufzeichnungen werden durch die Behörden im Rahmen von Vor-Ort-Inspektionen kontrolliert. Zudem verschicken Landwirt*innen Daten oft analog per Post, da nicht in allen staatlichen Stellen Webschnittstellen vorhanden sind. Die Kosten für den administrativen Aufwand beinhalten Suchkosten (Erhebung von Informationen im Hinblick auf Meldepflichten und Datenaustausch mit staatlichen Stellen) sowie Überwachungs- und Umsetzungskosten (Erstellung und Einreichung von Berichten, Anzeigen, Aufzeichnungen etc. sowie Teilnahme an staatlichen Vor-Ort-Inspektionen).
Des Weiteren gibt die Umfrage Aufschluss über den Zeitaufwand zur Erfüllung von Melde- und Aufzeichnungspflichten. Dabei nimmt die Informationsbeschaffung den größten Anteil der Zeit ein, der höher ist als der zeitliche Gesamtaufwand für die Einreichung von Anträgen und Anzeigen sowie die Erstellung der Aufzeichnungen selbst. Der hohe Zeitaufwand der Informationsbeschaffung entsteht dadurch, dass eine detaillierte Auflistung der gesetzlichen Pflichten zum Datenaustausch fehlt. Oft ist die Beratung durch Dritte erforderlich. Die Mehrheit der Befragten aller drei Wirtschaftszeige (Huhn, Schwein, Milchvieh) übermittelt die Daten selbst an staatliche Stellen und beauftragt keine Dritte damit.
Datenräume in der Landwirtschaft
Bei der Erfüllung der gesetzlichen Meldepflichten ist den Landwirt*innen die Datensicherheit sehr wichtig. Sie haben ein legitimes Interesse daran, die Hoheit über ihre sensiblen Betriebsdaten zu wahren. Gleichzeitig müssen die Daten den Betrieb verlassen und mit verschiedenen Stakeholdern ausgetauscht werden. Diesen Zwiespalt bezeichnen die Wissenschaftler*innen des Zukunftslabors als „Geschützte Transparenz“. Mit ihrer Forschung versuchen sie, praktikable Lösungsansätze dafür zu finden. Ein vielversprechendes Konzept sind Datenräume.
Die Wissenschaftler*innen haben damit begonnen, das Konzept und exemplarische Anwendungsfälle der Datenräume für den landwirtschaftlichen Datenaustausch zu prüfen. Konkret geht es um Datenräume, die sich an Gaia-X orientieren. Gaia-X ist eine europäische Initiative zur Schaffung einer IT-Struktur, die den Datenaustausch unter Berücksichtigung des europäischen Datenschutzrechts ermöglichen soll. Die Datenräume sind durch feste Standards und offene Schnittstellen miteinander verknüpft. Dies ermöglicht es, Daten sicher zu teilen und unkompliziert zwischen den Nutzer*innen auszutauschen. Die Wissenschaftler*innen prüfen das Potenzial solcher Datenräume für die Landwirtschaft.
Derzeit können viele Prozesse in der Landwirtschaft nicht miteinander verbunden und automatisch mit den erforderlichen Informationen versorgt werden, weil sich der Austausch von Daten zwischen verschiedenen Systemen als schwierig erweist. Es besteht eine fragmentierte Landschaft kleinerer, oftmals herstellergebundener Datensysteme. Für viele Datenarten in der Landwirtschaft gibt es bisher keine interoperablen Standards. Agrardatenräume und zukünftige internationale Standards bieten die notwendigen technischen Voraussetzungen, die die Integration vormals isolierter Datensysteme ermöglichen.
Ausblick: Prüfung der Datenräume
Im Forschungsjahr 2024 werden die Wissenschaftler*innen des Zukunftslabors die Prüfung der Datenräume für die landwirtschaftliche Praxis fortsetzen. Sie werden u. a. in einem interaktiven Workshop mit Landwirt*innen, Vertreter*innen staatlicher Stellen und Wirtschaftspartnern Erfolgskriterien und mögliche Anwendungsfälle ermitteln.