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Jetzt anmeldenZahlreiche Menschen in Deutschland sind von Rückenschmerzen betroffen. Neben Kopfschmerzen gehören sie zu den häufigsten Schmerzproblemen von Patient*innen. Sie werden insbesondere durch Bewegungsmangel, Übergewicht oder Belastungen am Arbeitsplatz hervorgerufen. Digitale Technologien können dazu beitragen, Rückenschmerzen vorzubeugen und frühzeitig Gegenmaßnahmen einzuleiten. Die Wissenschaftler*innen des Zukunftslabors Gesundheit fokussieren sich in ihrer Forschung auf die Pflege: Für das Pflegepersonal besteht aufgrund der belastenden körperlichen Arbeit ein hohes Risiko gesundheitlicher Schäden. Digitale Innovationen können dem entgegenwirken.
Bewegungsanalyse zur Prävention von Muskel-Skelett-Erkrankungen
Mithilfe von Sensoren erfassen die Wissenschaftler*innen des Zukunftslabors die Körperhaltung des Pflegepersonals. Ziel ist es, körperliche Belastungen zu ermitteln. Bei potenziell schädlichen Körperhaltungen und Belastungen soll das Pflegepersonal durch ein Alarmsystem gewarnt werden, um Muskel-Skelett-Erkrankungen zu verhindern. Konkret geht es um die Unterstützung des Pflegepersonals bei der Umlagerung der Patient*innen. Hier spielt die Körperhaltung eine entscheidende Rolle, denn ergonomisches Arbeiten kann die Belastungen deutlich reduzieren.
Die Wissenschaftler*innen erfassen die Daten zur Körperhaltung mithilfe von Kameras und Intertialsensoren (Kombination mehrerer Sensortypen zur Aufzeichnung dreidimensionaler Bewegungen). Über eine Kraftmessplatte analysieren sie die Kräfte, die auf das Pflegepersonal einwirken, und mit sogenannten Elektromyographen erfassen sie die Muskelaktivität, um die Beanspruchung einzelner Muskeln während der Pflegetätigkeiten zu messen.
Bei den Kameras handelt es sich um Tiefenkameras. Sie erfassen keine Gesichter, sondern nur den Abstand zur Kamera und somit die Umrisse der Personen. Dadurch wird die Privatsphäre des Pflegepersonals und der Patient*innen gewahrt. Für die Prävention von Muskel-Skelett-Erkrankungen ist es wichtig zu erkennen, welche Körperhaltung das Pflegepersonal beim Umlagern der Patient*innen einnimmt. Diese Informationen liefern uns die Tiefenkameras.
Ausblick: Alarmsystem für Pflegekräfte
Im weiteren Verlauf der Forschung werden sich die Wissenschaftler*innen näher mit einem möglichen Alarmsystem befassen. Hierfür gibt es zwei Optionen. Als erstes ist die Videoauswertung für Ausbildungszwecke zu nennen: Das Kamerasystem kann genutzt werden, um die Videos im Nachhinein zu analysieren und die Pflegekräfte auf schädigende Haltungen hinzuweisen. Zweitens besteht die Möglichkeit der direkten Rückmeldung: Über ein Signal (z. B. Vibration oder visuelle Anzeige) werden die Pflegekräfte darauf hingewiesen, dass ihre Haltung gesundheitsschädigend ist. Hierzu entwickeln die Wissenschaftler*innen einen Algorithmus, der Gelenkwinkel mit den im Arbeitsschutz festgelegten Grenzwerten abgleicht. Der Arbeitsschutz verdeutlicht, welche Winkel potenziell schädlich sind.
Erfassung und Kommunikation gesundheitsgefährdender Umweltfaktoren
In den vergangenen Jahren hatten die Wissenschaftler*innen bereits Kameras im Smart Home, Wirbelsäulensensoren und in einem Sessel integrierte EKG-Sensoren getestet, die Daten für das Gesundheitsmonitoring liefern können. Nun erfassen sie auch Umweltfaktoren in Räumen (z. B. Raumtemperatur, Gehalt von Kohlenstoffmonoxid, Stickstoff und Feinstaub), die sich auf die Gesundheit der Menschen auswirken und Krankheiten hervorrufen können.
Die Umweltdaten, die die Wissenschaftler*innen mithilfe von Sensoren erfassten, modellierten sie für die openEHR-Plattform des Zukunftslabors und überführten sie in die Plattform. Nun ist es möglich, die Daten zu Luftverschmutzungspartikeln sowie einen 24-Stunden-Durchschnittswert der Konzentration zu speichern. Außerdem kann ein Schätzwert des Gesundheitsrisikos, das durch die Luftverschmutzungspartikel entsteht, angegeben werden. Die Schätzung orientiert sich an wissenschaftlichen Studien. Diesen zufolge steigt das Risiko für die Gesundheit, wenn die Umweltbelastung zunimmt. In Anbetracht der Unsicherheit der Schätzung können ein unterer Risikowert, der Mittelwert und ein oberer Risikowert angegeben werden. Dies ist wichtig, da für besonders vulnerable Personen schon bei niedrigen Belastungskonzentrationen ein höheres Gesundheitsrisiko besteht. Bei Menschen ohne besondere Vulnerabilität bzw. mit hoher Resilienz liegt das Risiko für die Gesundheit im Mittelwert oder im unteren Bereich.
Um das Gesundheitsrisiko für Patient*innen und medizinisches Personal sichtbar zu machen, entwickeln die Wissenschaftler*innen eine digitale Anwendung, die auf die gesundheitsschädigenden Umweltfaktoren hinweist. Die Anwendung soll konkrete Hinweise liefern, welche Auswirkungen diese Faktoren auf die Gesundheit der einzelnen Personen haben könnten und welche Maßnahmen helfen, das Risiko zu reduzieren bzw. zu eliminieren.
Gemeinsam mit Studierenden der Angewandten Pflegewissenschaft bestimmten die Wissenschaftler*innen funktionale und nicht-funktionale Anforderungen an die Anwendung. Funktionale Anforderungen sind erforderlich, um die Umweltdaten zu messen und auszuwerten (z. B. Messung im Raum, Signal bei Störungen, Schutz vor Manipulation). Nicht-funktionale Anforderungen sind nicht zwingend erforderlich, aber nützlich (z. B. Verfügbarkeit auf verschiedenen Endgeräten, Einstellung der Schriftgröße, Touch-Screen).
Auf Basis der Anforderungen erstellten die Studierenden erste Prototypen für die digitale Anzeige der Anwendung. Sie entwarfen und diskutierten verschiedene Designs (z. B. Verlaufswerte im Zeitdiagramm, farbliche Anzeigen entsprechend eines Ampelsystems). Als Anwendungsszenario betrachteten sie das kardiovaskuläre Risiko, das durch zu hohe Feinstaubwerte entsteht. Kardiovaskuläre Krankheiten betreffen das Herz und die Blutgefäße. Die Designvorschläge dienen als Grundlage für die weitere Entwicklung der Anwendung.
Ausblick: Umweltfaktoren in der Gesundheitsversorgung
In Workshops mit verschiedenen Zielgruppen (z. B. Pflegepersonal, Ärzt*innen) werden die Wissenschaftler*innen ermitteln, welche Umweltfaktoren für die medizinische Versorgung relevant sind und in welcher Form sie dargestellt werden sollten. Außerdem werden sie die Prototypen des Gerätes weiterentwickeln.
Online-Kurs „Gamechanger Assistierende Gesundheitstechnologien – Intelligente Technologien für eine bessere Gesundheit“
Ihr Wissen über Sensoren und deren Potenziale für das Gesundheitsmonitoring geben die Wissenschaftler*innen in Form von Online-Kursen an Interessierte weiter. In diesem Zusammenhang entwickelten die Wissenschaftler*innen den Kurs „Gamechanger Assistierende Gesundheitstechnologien – Intelligente Technologien für eine bessere Gesundheit“. Der Kurs richtet sich an interessierte Bürger*innen und Schüler*innen ab der 10. Klasse. Die Teilnehmer*innen lernen Grundlagen der Datenanalyse und des Gesundheitsmonitorings kennen. Sie erfahren, was Assistierende Gesundheitssysteme sind, welche Potenziale sie für eine optimierte medizinische Behandlung haben und wo Herausforderungen bestehen. Von Oktober 2023 bis Januar 2024 führten die Wissenschaftler*innen den Kurs erstmalig mit Studierenden durch. Insgesamt nahmen 78 Personen aus verschiedenen Studiengängen teil (z. B. Data Science, Informatik).
Ausblick: Evaluation und Optimierung des Kursangebotes
Im Forschungsjahr 2024 werden die Wissenschaftler*innen den Online-Kurs von den Teilnehmer*innen bewerten lassen. Basis dieser Bewertung ist das Evaluationskonzept des Zukunftslabors Gesundheit, das vier Kriterien vorsieht: didaktisches Konzept, Lerninhalte, Lernmanagementsystem, Evaluationskonzept. Auf Basis des Feedbacks werden die Wissenschaftler*innen den Kurs prüfen und ggf. anpassen.