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Jetzt anmelden27.06.2023
Bei der Entwicklung neuer Produkte spielen gesellschaftliche Trends wie Nachhaltigkeit eine zunehmend größere Rolle. Auch der Wunsch nach individuellen Gestaltungsmöglichkeiten nimmt zu. Die Anforderungen an das Produktdesign werden entsprechend umfangreicher. Technische Produkte werden zudem immer vernetzter, sie kommunizieren mit anderen Produkten und benötigen Updates. Gleichzeitig werden die Produktions- und Innovationszyklen immer kürzer, sodass neue Entwicklungsmethoden benötigt werden.
Diese Herausforderungen betreffen auch die Automobilbranche. Zum einen nehmen die digitalen Komponenten eines Fahrzeugs zu. Zum anderen müssen die Anforderungen hinsichtlich innovativer Antriebsmöglichkeiten erfüllt werden. Dadurch wird die Verzahnung verschiedener Entwicklungsdisziplinen wie Software, Elektrik/Elektronik und Mechanik immer intensiver. Modellbasierte Ansätze können dazu beitragen, Funktionen und Aufbau von Fahrzeugsystemen zunächst virtuell zu entwickeln und zu testen, bevor sie produziert werden. Dies spart Zeit und Kosten, da Fehlfunktionen frühzeitig erkannt und ausgebessert werden können.
Die Wissenschaftler*innen des Zukunftslabors Mobilität wenden Ansätze des Model-based Systems Engineering an, um Fahrzeugsysteme zu entwickeln. Bei diesem Ansatz werden Systemmodelle erstellt, um z. B. Wechselwirkungen zwischen Komponenten zu beschreiben. Zunächst wird dabei die funktionale Sicht betrachtet (Was soll das Produkt können?), anschließend die strukturale Sicht (Welche Teilsysteme sind erforderlich, um die Funktion zu realisieren?). Als ein Anwendungsbeispiel wird innerhalb des Zukunftslabors Mobilität der Wankstabilisator als mechatronisches Teilsystem in Fahrzeugen verwendet, um Modelle des Model-based Systems Engineering zu demonstrieren. Der Wankstabilisator eines Autos hat die übergeordnete Funktion, das Fahrzeug während Kurvenfahrten zu stabilisieren und somit den Fahrkomfort zu erhöhen.
Bei der modellbasierten Entwicklung mechatronischer Systeme müssen sowohl domänenspezifische als auch domänenübergreifende Modelle miteinander verknüpft werden, um Inkonsistenzen zu vermeiden. Domänenspezifische Modelle werden in einem bestimmten Fachgebiet bzw. Disziplin angewendet, z. B. CAD-Modelle aus der mechanischen Domäne. Sie sind hilfreich, um spezifische Anforderungen umzusetzen (z. B. geometrische und räumliche Struktur eines Bauteils, Beschreibung von Systemkomponenten). Diese spezifischen Anforderungen müssen für die Analyse und Bewertung potenzieller Störeffekte (z. B. Temperatureinflüsse) erfüllt sein. Domänenübergreifende Modelle werden für interdisziplinäre Ingenieurstechniken eingesetzt, z. B. zur Definition der Systemarchitektur oder zur Festlegung der Integrationsstrategie. Hierfür werden standardisierte, domänenunabhängige Modellierungssprachen wie SysML (Systems Modeling Language) verwendet.
Die Herausforderung besteht darin, dass benötigte Produkteigenschaften auf verschiedene Modelle verteilt sind. Dies kann zu Wissensverlusten und Inkonsistenzen führen. Das Ziel der Wissenschaftler*innen ist daher, die verschiedenen Modelle so miteinander zu verknüpfen, dass keine Inkonsistenzen entstehen. Der Fokus liegt hierbei auf der Verknüpfung und Integration von SysML- und CAD-Modellen.
Zur Entwicklung von SysML- und CAD-Modellen müssen unterschiedliche Modellierungswerkzeuge eingesetzt werden. Diese Werkzeuge verwenden üblicherweise inkompatible Datenformate für den Austausch von Informationen. Neben werkzeugspezifischen Datenformaten kann als universelles Exportformat für SysMLModelle das XML-Format verwendet werden. Der Informationsaustausch von CAD-Modellen erfolgt in der Regel über das STEP-Format. Obwohl diese Datenformate werkzeugunabhängig sind, sind diese für den direkten Datenaustausch zwischen SysML- und CAD-Modellen nicht geeignet. Daher entwickelten die Wissenschaftler*innen ein technisches Schnittstellenkonzept, das werkzeugunabhängige Datenformate für den Datenaustausch verwendet. Das Schnittstellenkonzept ermöglicht es, die Datenstrukturen zwischen XMI (XML Metadata Interchange) und STEP (Standard for the Exchange of Product Data) zu harmonisieren. Dabei werden zwei Programmiersprachen – Python und VBA – genutzt, um die Dateien zu interpretieren und über Schnittstellen in das jeweilige Modell einzulesen.
Die Wissenschaftler*innen demonstrierten das Schnittstellenkonzept erfolgreich am Anwendungsbeispiel Wankstabilisator. Das erzeugte heterogene Modell ermöglicht eine zweckmäßige Integration von SysML- und CAD-Modellelementen in ein Modell. Die dargestellte Visualisierung unterstützt z. B. bei der Allokation der Systemfunktionen zu den Systemelementen als zentrale Entwicklungsaktivität während der Entwicklung der Systemarchitektur. Außerdem ermöglicht das Modell durch den Einsatz von Elementstereotypen die Systemschnittstellen disziplinspezifisch zu beschreiben und sie mit räumlich positionierten Systemelementen (Komponenten) zu kombinieren. Dies kann zu einer frühzeitigen Integrationsplanung des Wankstabilisators beitragen.
Wir wollen die Verknüpfung unterschiedlicher Modelle dazu nutzen, um heterogene Produktmodelle zu erzeugen und somit die Modellkonsistenz zu verbessern. Heterogene Produktmodelle sind dadurch charakterisiert, dass sie unterschiedliche Modellelemente – z. B. unterschiedlicher Abstraktion oder Formalisierung – in eine Präsentation integrieren.“
Neben dem Model-based Systems Engineering beschäftigen sich die Wissenschaftler*innen auch mit der Alterung von Fahrzeugeigenschaften (sog. Feature Degradation). Bei einem automatischen Scheibenwischer z. B. ist die Automatisierungsgüte die Eigenschaft, die zu einer vorzeitigen Abnutzung/einer erhöhten Alterung führen kann. Die Wissenschaftler*innen werden ein Prognosemodell entwickeln, dass die Alterung vorhersagt. Daraus können dann Optionen zur Verlängerung der Nutzungsdauer abgeleitet werden. Das kann sowohl die Hardware (z. B. Austausch degradierter Komponenten) als auch die Software (z. B. Bereitstellung von Software-Updates) umfassen.
Im kommenden Jahr werden die Wissenschaftler*innen das technische Schnittstellenkonzept erweitern, die Usability verbessern und an weiteren Anwendungsbeispielen evaluieren. Darüber hinaus werden sie das Prognosemodell für die Alterung von Fahrzeugeigenschaften ausarbeiten und an einem Anwendungsbeispiel testen.