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Jetzt anmeldenDie Corona-Pandemie zeigt eindrücklich, wie wichtig die Erhebung medizinischer Behandlungsdaten ist: Gesundheitsämter melden Infektionszahlen an das Robert Koch-Institut, welches auf Basis der Daten die Verbreitung des Virus prüft und Handlungsempfehlungen für die Bundesregierung ausspricht. Das Gesundheitssystem stand 2020 vor gewaltigen Herausforderungen, die in der Form nicht absehbar waren. Diese Herausforderungen fasst das Zukunftslabor Gesundheit als Treiber für die Digitalisierung und Forschung im medizinischen Kontext auf. Denn die Corona Pandemie verdeutlicht, wie wichtig Daten sind, um Erkenntnisse für die Forschung zu gewinnen und medizinische Abläufe zu verbessern. Deshalb verfolgen die Wissenschaftler*innen das Ziel, eine Architektur für den Austausch medizinischer Daten zu entwickeln und für wissenschaftliche Auswertungen zur Verfügung zu stellen. Damit können einmal erhobene Daten mehrfach für unterschiedliche Forschungsvorhaben genutzt werden und eine immer wiederkehrende, oftmals sehr aufwendige Datenerhebung entfällt. Indem die Daten wissenschaftlichen Einrichtungen zugängig gemacht werden, wird die Forschung insgesamt schneller und effizienter. Wissenschaftler*innen können prüfen, welche Daten schon vorliegen und welche Informationen sie darüber hinaus noch benötigen.
DATENPLATTFORM FÜR MEDIZINISCHE FORSCHUNG
Das Zukunftslabor bezieht seine Forschung beispielhaft auf kardiovaskuläre Erkrankungen. Zur Untersuchung dieses Anwendungsfall stellten Projektpartner des Zukunftslabors entsprechende Datenbestände bereit, die die Wissenschaftler*innen anhand von Steckbriefen strukturieren. Diese enthalten allgemeine Informationen (z. B. mit welchen Methoden die Daten erhoben wurden) und spezifische Details (z. B. ob bei dem Patient Blutdruck gemessen wurde).
Anhand der Steckbriefe können sich Wissenschaftler*innen einen Überblick über die Art und Qualität der Daten verschaffen und entscheiden, ob die Informationen für ihre Forschung geeignet sind. Langfristig soll auf diese Weise ein umfangreicher und strukturierter Datenbestand für medizinische Auswertungen entstehen. Zu beachten sind dabei Aspekte wie Zugriffsmöglichkeiten und Ethik. Um datenschutzrechtlichen Bestimmungen in der Medizin gerecht zu werden, können Verfahren eingesetzt werden, die statt Identifikationsmerkmalen wie Namen oder ähnliches Pseudonyme einsetzen. Die Wissenschaftler*innen des Zukunftslabors führten Gespräche mit Expert*innen auf dem Gebiet der Pseudonymisierung und Forschungsdatenintegration, um geeignete Methoden zur privatheitsbewahrenden Datenanalyse zu ermitteln. Auf Basis dieser Gespräche und im Rahmen des Konzepts, das für die Datenplattform erarbeitet wird, wird im nächsten Schritt eine Pseudonymisierungsstrategie festgelegt. Die Plattform soll Gesundheitsdaten zusammenführen, für medizinische Forschung zugänglich machen und spezifischere Diagnosen sowie effizientere Therapien ermöglichen.
Die Forschung mit gesundheitsbezogenen Daten bietet enorme Potenziale für die Wissenschaft, Krankheiten besser zu verstehen. Wichtig in diesem Zusammenhang ist aber auch der Schutz personenbezogener Informationen. Hierfür müssen Sicherheitskonzepte erstellt werden, die den Missbrauch der Daten verhindern. Es gilt zu prüfen, ob die Verwendung aus ethischer Sicht vertretbar ist. Für die betroffenen Personen darf kein Schaden durch die Nutzung ihrer Gesundheitsdaten entstehen.
BESTANDSAUFNAHME VORHANDENER SENSORIK
Zu den Daten, die die Plattform zusammenführt und bereitstellt, zählen auch Sensordaten aus dem Umfeld von Patient*innen. Da die Partner des Zukunftslabors Gesundheit bereits über Sensorik und dazugehörige Infrastruktur verfügen, nahmen die Wissenschaftler*innen zunächst den Bestand auf. Dabei fokussierten sie sich auf mobile Low-Cost Sensorik mit WLAN oder Mobilfunkanbindung. Das ist erschwingliche Hardware, die sich leicht transportieren und in die Umgebung der Patient*innen integrieren lässt. Über WLAN oder Mobilfunk übermitteln die Sensoren die erfassten Daten an die Plattform. Zu der vorhandenen Sensorik zählen z. B. Raumkameras, Sensoranzüge und vernetzte Raumelemente wie Licht, Türen, Herd, Kühlschrank oder Heizung. Im Anschluss an die Bestandsaufnahme kategorisierten die Wissenschaftler*innen die Sensorik nach Art, Beschreibung, Zielsetzung, Datenformat und Standort. Dadurch entstand ein Hardware-Katalog, der die gesamte verfügbare Sensorik der niedersächsischen Forschungspartner übersichtlich zusammenfasst.
Neben der Hardware ermittelten die Wissenschaftler*innen auch, welche Softwarelösungen für Machine Learning bei den Partnern des Zukunftslabors vorliegen. Machine Learning kann für die intelligente Auswertung der Sensordaten eingesetzt werden. Darauf aufbauend werden die Wissenschaftler*innen Kriterien aufstellen, anhand derer sie die passende Sensorik und Software für ihre Forschungsvorhaben auswählen werden.
Gerade beim Einsatz von Sensoren im privaten Umfeld muss die Privatsphäre der Patient*innen bestmöglich geschützt werden. Dies geschieht beispielsweise dadurch, dass die Sensoren, anstatt Videodaten zu speichern, auf Basis von Gelenkkoordinaten Strichmännchen-Bilder der Menschen erstellen, sogenannte Skelettmodelle. Die Auswertung dieser Sensordaten liefert dann Hinweise auf ungewöhnliche Situationen, wie zum Beispiel einen Sturz.
DIDAKTISCHES KONZEPT FÜR ONLINE-KURSE
Das Wissen, welches die Wissenschaftler*innen im Rahmen ihrer Forschungstätigkeiten generieren, soll über eine zentrale, online-basierte Plattform an verschiedene Zielgruppen vermittelt werden. Dazu gehören Patient*innen und Betroffene, Vertreter*innen der Gesundheitsberufe, Medizininformatiker*innen und artverwandte Berufe sowie Bürger*innen und die interessierte Öffentlichkeit. Diese Zielgruppen analysierten die Wissenschaftler*innen anhand verschiedener Kriterien (z. B. Lerntyp, Bezug zur Medizin, Umgang mit digitalen Technologien), um die jeweiligen Ansprüche besser verstehen zu können. Die Zielgruppenanalyse ist Ausgangspunkt der Identifikation relevanter Themen für die Zielgruppen: Für Patient*innen und Betroffene sind vor allem Informationen zu Krankheiten und Therapien interessant. Vertreter*innen der Gesundheitsberufe sowie Medizininformatiker*innen und artverwandte Berufe erhalten Informationen über die medizinische Datenanalyse und maschinellen Lernverfahren. Für Bürger*innen und die interessierte Öffentlichkeit sind insbesondere Fragen zur Privatsphäre und Sicherheit ihrer Daten relevant.
Die onlinebasierte Lehre kann in unterschiedlichen Formaten durchgeführt werden. Dies geht von Vorlesungs-Aufzeichnungen mit ergänzenden digitalen Unterlagen bis hin zu Online-Veranstaltungen unter Einbezug digitaler Wirklichkeiten wie Virtual und Augmented Reality. Damit die Wissenschaftler*innen geeignete Formate für die Zielgruppen ermitteln können, analysierten sie grundlegende Einflussfaktoren wie Gruppengröße, Betreuungsumfang und Vorwissen der Zielgruppe. Als theoretische Grundlage für die Konzeption der Online-Kurse wählte das Zukunftslabor das Fünf-Phasenmodell nach Gilly Salmon. Dabei geht es um eine Form der Aktivierung der Lernenden in einem fünfstufigen Modell, das eine schrittweise Heranführung an ein selbstständiges Lernen zum Ziel hat. Die fünf Phasen sind in Zugang und Motivation, Online-Sozialisation, Informationsaustausch, Wissenskonstruktion und Entwicklung unterteilt.
Auf dieser Grundlage konzipierten die Wissenschaftler*innen ein spezifisches didaktisches Konzept für die Online-Lehre im Zukunftslabor Gesundheit. Zur digitalen Umsetzung des didaktischen Konzepts bedarf es einer geeigneten Wissensvermittlungsplattform in Form eines Lernmanagementsystems. Diese Plattform muss über bestimmte Funktionalitäten verfügen (z. B. Foren, Videopräsentationen, Durchführung von Tests), um die einzelnen Phasen des Lernens zu ermöglichen bzw. zu unterstützen. Mit dem Hintergrundwissen über die Zielgruppe, die Formate für Online-Lehre, das Lernphasenmodell und die erforderlichen Funktionen verglichen die Wissenschaftler*innen verschiedene Lernmanagementsysteme der beteiligten Partner, um eine für alle Zielgruppen passende Plattform zu identifizieren. Im Folgenden werden die Wissenschaftler*innen auf der Basis des didaktischen Konzepts erste Online-Kurse entwerfen.
Um die ausgewählten Lernmanagementsysteme zu evaluieren, haben wir einen exemplarischen Online-Kurs angelegt und die Funktionalitäten der jeweiligen Plattformen überprüft. Im Verlauf des Forschungsprojekts soll zudem das Feedback der Teilnehmenden zur Weiterentwicklung unserer Angebote beitragen. Hierfür haben wir ein Evaluationskonzept entwickelt, mit dem wir die stetige Qualitätskontrolle der Online-Kurse und der Plattform gewährleisten können. Dadurch wird es möglich, das Lernangebot laufend zu überprüfen und zu verbessern
CURRICULUM LEGT KURSINHALTE FEST
Aufbauend auf dem didaktischen Konzept, das die Zielgruppen und die Methoden der online-basierten Weiterbildung beschreibt, erstellten die Wissenschaftler*innen ein Curriculum für einen Online-Kurs zur Datenanalytik. Dieser ist für die Zielgruppe „Vertreter*innen der Gesundheitsberufe“ vorgesehen. Das Curriculum beinhaltet die Themen des Kurses, zeigt also, was die Teilnehmenden inhaltlich lernen sollen. Die Weiterbildung ist darauf auslegt, Personal aus Gesundheitsberufen (Pflegekräfte, Physiotherapeut*innen, Logopäd*innen, Ergotherapeut*innen und Hebammen) dazu zu befähigen, selbstständig individuelle Patientendaten und epidemiologische Daten zu analysieren und auszuwerten. Um geeignete Themengebiete für das Curriculum zu identifizieren, werteten die Wissenschaftler*innen Modulbeschreibungen unterschiedlicher Studiengänge im Bereich der Gesundheitsberufe aus. Daraufhin legten sie drei relevante Inhalte für das Curriculum fest: das Paradigma des lernenden Gesundheitssystems, inferenzstatistische Konzepte und Datenmodellierung mithilfe statistischer Methoden. Kern eines lernenden Gesundheitssystems ist die Aufbereitung von Gesundheitsdaten, die routinemäßig erhoben werden. Das lernende Gesundheitswesen spezifiziert dazu ein Modell eines kontinuierlichen Lernzyklus, der das Lernen auf Basis analytischer und statistischer Methoden aus den routinemäßig erhobenen Gesundheitsdaten spezifiziert.
Das Curriculum des Zukunftslabors sieht vor, das Paradigma des lernenden Gesundheitswesens anhand einschlägiger Literatur und Beispielen zu besprechen und in diesem Zusammenhang auch die Entscheidungsunterstützung durch datengetriebene Informationssysteme zu thematisieren. Der zweite Bereich des Curriculums, die Inferenzstatistik, beschäftigt sich mit Methoden der Statistik, die stichprobenartige Befunde auf die Gesamtheit der erhobenen Daten überträgt. Dies soll im Rahmen der Online-Kurse vermittelt werden, da die Inferenzstatistik standardgemäß nicht im Lehrplan gesundheitsbezogener Studiengänge vorgesehen ist, aber wichtige Informationen zur Datenanalyse liefert. Beim dritten Aspekt – der Datenmodellierung – geht es darum, den Teilnehmenden des Online-Kurses Methoden zur Modellierung medizinischer Daten zu vermitteln. Solche Modelle sind hilfreich, um den Verlauf von Krankheiten vorauszusagen zu können. Außerdem sollen die Teilnehmenden dazu befähigt werden, sich kritisch mit dem Einsatz statistischer Modelle zur Datenanalyse auseinanderzusetzen.
PHYSIOTHERAPIE-APP ALS UNTERSTÜTZENDE REHABILITATIONSMASSNAHME
Zusätzlich zu den Online-Kursen entwickelt das Zukunftslabor eine Physiotherapie-App. Diese soll Patient*innen dazu motivieren, physiotherapeutischer Übungen im Anschluss an eine OP oder Reha fortzusetzen. Der Anwendungsfall, auf den sich die Wissenschaftler*innen beziehen, ist die Rehabilitation der Schulter im Anschluss an eine Operation. Zu Beginn ihrer Untersuchungen verglichen die Wissenschaftler*innen verschiedene bestehende Smartphone-Apps, die zur Rehabilitation eingesetzt werden, und identifizierten Vorteile (z. B. Erinnerungsfunktion, Ersatz von Papier-Handouts) sowie Nachteile (z. B. kaum individuell angepasste Übungen, keine Kontrolle der Übungsausführung). Des Weiteren bezogen sie Ergebnisse des artverwandten Projektes „AGT-Reha“ (Technische Universität Braunschweig, Peter L. Reichertz Institut für Medizinische Informatik) ein, das die Ausführung von Reha-Übungen mithilfe einer Tiefenkamera und einem All-in-One-PC (Gerät, das PC, Monitor und Lautsprecher vereint) überprüft. Auf diese Weise können die Häufigkeit und die Qualität der Ausführung kontrolliert werden. Zusätzlich steigern Gamification-Elemente (z. B. Awards, Punktesystem, positives Feedback bei besonders genauer Ausführung) die Motivation der Patient*innen. Nachteile sind hier unter anderem, dass die Geräte (Tiefenkamera, All-in-One-PC) kostspielig sind und stationär im Wohnbereich aufgebaut werden müssen.
Auf Basis der App-Auswertung und des Kameraprojekts entschieden die Wissenschaftler*innen, ein Hybrid-Konzept zu entwickeln, das die Vorteile einer (teil-)stationären sensorgestützten Trainingsmöglichkeit mit der niedrigen Einstiegsschwelle einer Smartphone App verbindet. Dieses Konzept sieht vor, dass Patient*innen bei der Ausführung und der Häufigkeit ihrer Übungen unterstützt, durch Gamification motiviert und mit einer Erinnerungsfunktion zum Training aufgefordert werden. Darüber hinaus soll die Hybrid-Lösung an jeden Fernseher angeschlossen werden können und kostengünstig sein. Auch bei dieser Lösung bleibt ein Nachteil: Die Sensoren, die App und die erforderliche Datenplattform zum Austausch der Trainingsdaten erzeugen einen hohen Entwicklungs- und Pflegeaufwand. Als Zwischenergebnis erarbeiteten die Wissenschaftler*innen einen Ablaufplan, der die Einweisung in die Benutzung des Systems durch Therapeut*innen, das eigenständige Training der Patient*innen, und die Auswertung des Trainingsziels durch die Therapiepraxis vorsieht. Im weiteren Verlauf des Projekts wird das Zukunftslabor aufbauend auf diesem Konzept die Physiotherapie-App entwickeln.