NEWSLETTER ABONNIEREN
Sie interessieren sich für die Projekte und Ergebnisse unserer Zukunftslabore? Unser Newsletter fasst die wichtigsten Ereignisse alle zwei Monate zusammen.
Jetzt anmelden01.08.2023
Landwirtschaftliche Betriebe werden mit zahlreichen Anforderungen verschiedener Stakeholder konfrontiert. Umweltverbände fordern ressourcenschonende und umweltfreundliche Praktiken. Verbraucher*innen wünschen sich bezahlbare und gleichzeitig qualitativ hochwertige Produkte. Staatliche Institutionen erlassen Gesetze für die landwirtschaftliche Praxis. Digitale Innovationen können dazu beitragen, diesen Anforderungen gerecht zu werden. Sie bieten Landwirt*innen neue Möglichkeiten, ihre Prozesse zu strukturieren und unterstützende Technik einzusetzen.
Damit sich Landwirt*innen auf die Digitalisierung einlassen, muss sie für ihren Betrieb einen echten Mehrwert bringen, sowohl für die Umweltwirkungen als auch für die Kostenstrukturen und den Arbeitsalltag. Die Digitalisierung muss sich also positiv auf die ökonomische, ökologische und soziale Nachhaltigkeit auswirken. Um diese Effekte zu messen, müssen die Zusammenhänge zwischen Technologieeinsatz und Nachhaltigkeit erfasst und ausgewertet werden.
Die Wissenschaftler*innen des Zukunftslabors Agrar nähern sich dem Thema Digitalisierung und ihren Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft im Rahmen einer systematischen Literaturanalyse. Das Ziel der Literaturanalyse ist es, einen Überblick über die Ansätze zur Nachhaltigkeitsbewertung digitaler Technologien im Agrar- und Lebensmittelsektor zu geben. Sie untersuchen insbesondere, welche Ansätze bisher verwendet wurden, um die Auswirkungen digitaler Technologien auf die Nachhaltigkeit zu bewerten. Zudem prüfen sie, ob die drei Säulen der Nachhaltigkeit (Ökonomie, Ökologie, Soziales) berücksichtigt wurden. Darüber hinaus wollen sie Ansätze ermitteln, um die Nachhaltigkeitsgewinne digitaler Technologien im Agrar- und Ernährungssektor angemessen zu bewerten.
Die Wissenschaftler*innen hatten bereits im vorigen Jahr mit der Sichtung der Literatur begonnen. Dieses Jahr weiteten sie ihre Recherche aus und systematisierten sie, indem sie gezielte Suchkriterien setzten und damit den Untersuchungsgegenstand konkretisierten. Nachdem Duplikate entfernt und so die Suchergebnisse bereinigt worden waren, standen über 500 Artikel für die weitere Analyse zur Verfügung. Anhand des systematischen Vorgehens (Abstract Screening, Volltextsichtung) blieben schließlich 14 Artikel für die Auswertung und Interpretation übrig.
Ein Kernergebnis der systematischen Literaturanalyse ist, dass zur Bewertung digitaler Technologien häufig der Ansatz der lebenszyklusbasierten Nachhaltigkeitsbewertung herangezogen wird. Jedoch werden nicht alle drei Säulen ganzheitlich betrachtet.
Die ökologische Nachhaltigkeit wird im Rahmen einer Ökobilanzierung untersucht (Wie wirkt sich ein Produkt bzw. Produktionsverfahren auf die Umwelt aus?), die Ökonomie auf Basis einer Lebenszykluskostenrechnung (Welche Kosten entstehen im Laufe des Produktlebenszyklus?) und das Soziale mithilfe einer Sozialbilanz (Welche sozialen Auswirkungen hat ein Produkt?).
Um die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Nachhaltigkeit ganzheitlich zu betrachten, müssen alle drei Säulen analysiert werden. Nur Studien, die sowohl ökologische als auch ökonomische und soziale Nachhaltigkeit berücksichtigen, können verlässliche Erkenntnisse für die landwirtschaftliche Praxis liefern. Außerdem ist es wichtig, den gesamten Lebenszyklus eines Produktes – z. B. eines digitalen Feldroboters – zu betrachten. Denn sowohl die Herstellung als auch die Nutzung und die Entsorgung bzw. Wiederverwertung wirken sich auf die Nachhaltigkeitsbilanz aus.
Weitere Ergebnisse zeigen, dass Nachhaltigskeitsansätze nicht standardisiert sind und bestehende Modelle zur Bewertung der Nachhaltigkeit unterschiedliche Reifegrade aufweisen. Ersten Erkenntnissen zufolge ist der Lebenszyklusansatz nützlich, um Nachhaltigkeit zu bewerten. Dieser Ansatz ist vor allem in der ökologischen Säule schon weit verbreitet. Auch im ökonomischen Bereich wird er schon genutzt, aber seltener. Oft werden hier auch Kosten-Nutzen-Analysen durchgeführt. Zudem fließen folgende Faktoren in die ökonomische Analyse ein: Investitionskosten, Instandhaltung & Wartung, Rentabilität, Stabilität, Liquidität, operative Kosten (Rüstzeiten, Installation, Energie), Arbeitszeitbedarf pro Schlag/Hektar, Flächenleistung und Anteil der Arbeitsverrichtungszeit an der Gesamtzeit bei Aussaat und Hacken. Im sozialen Bereich wurde die Lebenszyklusanalyse im Kontext digitaler Technologien bisher nur einmal angewandt. Das liegt z. B. daran, dass Landwirt*innen eine unterschiedliche Auffassung von sozialer Nachhaltigkeit haben – die Betrachtung ist also subjektiv und soziale Nachhaltigkeit schwer zu quantifizieren. Es fehlen Kenngrößen, anhand derer die soziale Säule bewertet werden kann. Darüber hinaus zeigen die bisherigen Erkenntnisse, dass es bislang keine umfassende Nachhaltigkeitsbewertung zum Einsatz von Robotern in der Landwirtschaft gibt.
Ein weiterer Aspekt, der die Nachhaltigkeitsauswirkungen digitaler Technologien in der Landwirtschaft bestimmt, ist deren Verbreitung und Implementierung in die Praxis. Unterschiedliche Studien weisen darauf hin, dass Akzeptanzhemmnisse seitens der Landwirt*innen bestehen, welche den Diffusionsprozess der Technologien behindern. Daher ist wichtig, das Entscheidungsverhalten der Landwirt*innen bzgl. der Nutzungsbereitschaft digitaler Technologien zu verstehen, um schließlich den Nutzen der Technologie klarer herausstellen zu können. Daher sollen im Rahmen einer quantitativen Studie im Zukunftslabor Agrar Landwirt*innen zum Einsatz autonomer Feldroboter im Zuckerrübenanbau befragt werden. Die Wissenschaftler*innen wollen hier näher untersuchen, wie Landwirt*innen die Technik und ihre Umwelt bewerten und aus welchen Gründen sie digitale Technologien nutzen oder nicht nutzen. In diesem Zusammenhang soll es vor allem um folgende Frage gehen: Welche Faktoren beeinflussen die Nutzung autonomer Feldroboter im Zuckerrübenanbau und inwiefern nehmen Technik- und Umweltbewertung auf die Nutzungsbereitschaft Einfluss? Als konkretes Praxisbeispiel ist der Einsatz autonomer Feldroboter für die Aussaat und die Beikrautregulierung im Zuckerrübenanbau geplant.
Im weiteren Verlauf des Zukunftslabors werden die Wissenschaftler*innen die lebenszyklusbasierte Nachhaltigkeitsbewertung im ökonomischen und ökologischen Bereich in den Mittelpunkt stellen. Die Ergebnisse der Nachhaltigkeitsbewertung werden sie mit den Ergebnissen der quantitativen Umfrage zum Einsatz autonomer Feldroboter verknüpfen. Die Ergebnisse sind dann sowohl für die Landwirt*innen selbst als auch für Technikhersteller interessant, die ihre Technik auf dem Absatzmarkt positionieren wollen.
Darüber hinaus werden die Wissenschaftler*innen Gespräche mit Expert*innen zu den Themen der Nachhaltigkeitsbewertung sowie zur Akzeptanz digitaler Technologien führen. Hier geht es darum, welche Indikatoren für die Bewertung der ökologischen sowie ökonomischen Nachhaltigkeit relevant sind. Diese Ergebnisse werden dann mit der bestehenden Literatur verglichen und interpretiert. Dies ermöglicht es, den Ansatz zur Nachhaltigkeitsbewertung besser zu verstehen und auf den Untersuchungskontext anzupassen.