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Jetzt anmeldenMobilität braucht neue Konzepte
Laut der Studie „Mobilität in Deutschland“ (MiD 2017), die vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur in Auftrag gegeben wurde, legt die Gesamtbevölkerung in Deutschland an einem durchschnittlichen Tag 257 Millionen Wege (Verkehrsaufkommen) und 3,2 Milliarden Kilometer (Verkehrsleistung) zurück. Dabei werden 57 Prozent aller Wege und 75 Prozent aller Personenkilometer mit dem Auto zurückgelegt. Dazu kommt noch der Güterverkehr mit einem Volumen von 4,6 Milliarden Tonnen und einer Beförderungsleistung von 666 Milliarden Tonnenkilometer, wie aus dem Statischen Jahrbuch 2018 hervorgeht. Sowohl der Personenverkehr als auch der Güterverkehr steigen damit weiter an. Für das Bundesland Niedersachsen hat zudem der Seeweg eine große Bedeutung, da fast der gesamte Seeverkehr an den niedersächsischen Küsten entlangführt.
Diese Zahlen belegen, wie wichtig eine funktionierende, leistungsfähige, sozial- und umweltverträgliche Mobilität inklusive des Transportwesens ist. Sie legt die Basis und ist zugleich Gegenstand der Wertschöpfung in unserer Gesellschaft. Gleichzeitig stößt die Verkehrsinfrastruktur immer wieder an ihre Grenzen, vor allem auf den Straßen, aber auch auf der Schiene. Das anhaltende Wachstum in verschiedenen Mobilitätsbereichen kann auf Dauer nicht durch einen infrastrukturellen Ausbau kompensiert werden, zumal die Umweltverträglichkeit einen immer größeren Stellenwert einnimmt. Bauliche Maßnahmen sind zudem langfristige Maßnahmen, deren lange Planungs- und Realisierungsphasen keine dynamischen Anpassungen zulassen.
Die Mobilität der Zukunft benötigt aus diesen Gründen neue Konzepte und Lösungsansätze, die die Anforderungen und Bedürfnisse aller beteiligten Seiten erfüllen. Die Digitalisierung bietet dazu nicht nur neue Möglichkeiten, sondern ändert auch selbst Bedürfnisse, Angebote, Abläufe und Wertschöpfungsschwerpunkte innerhalb des Mobilitätssystems. Zum einen ergeben sich aus der Digitalisierung heraus technische Innovationen, die beispielsweise neuartige Fahrzeugsysteme und -funktionen ermöglichen. Gleichzeitig entstehen neue Datenquellen, die für die Optimierung der Interaktionen und Kooperationen zwischen Verkehrsteilnehmern und der umgebenden Infrastruktur genutzt werden können.
Zentrale Eigenschaften für die Mobilität der Zukunft
Ein modernes Mobilitätssystem basiert auf starken Interaktionen zwischen Menschen, Gütern, Verkehrsmitteln und Infrastruktur. Im Mittelpunkt der Mobilitätsforschung steht daher die Frage, wie sich diese Interaktionen in Form von Kooperationen für eine Optimierung des gesamten Mobilitätssystems einsetzen lassen: Welche Personen(-gruppen) und/oder welche Güter werden zu welchem Zweck, wann, wie häufig, auf welchem Weg und mit welchen Verkehrsmitteln bewegt? Beantworten lassen sich die Herausforderungen der zentralen Fragestellung nur mit den Mitteln der Digitalisierung, die von der Mobilitätsforschung entsprechend system- und disziplinübergreifend gefördert werden muss.
Die grundlegenden Herausforderungen werden dabei von gesellschaftlichen Entwicklungen bestimmt. So führen der Trend zur Individualmobilität, die Alterung der Gesellschaft, die Urbanisierung und weitere soziale Transformationsprozesse zu umfassenden Veränderungen am Mobilitätsbedarf. Dazu kommen unterschiedliche Bedürfnisse verschiedener Gruppen, Regionen und Lebensstile. Während beispielsweise die Nachfrage nach öffentlichen Nahverkehrsmitteln in Städten und verdichteten Metropolregionen weiter steigt, ist in peripheren ländlichen Regionen ein rückläufiger Schülerverkehr zu beobachten. Eine entsprechende Reduzierung der öffentlichen Mobilitätsinfrastrukturen hätte allerdings für ländliche Regionen gravierende Auswirkungen und würde die Abhängigkeit vom Auto zusätzlich erhöhen. Um solche und andere negative Auswirkungen neuer Mobilitätskonzepte zu verhindern, hat das Zukunftslabor Mobilität einige grundlegende Eigenschaften abgeleitet, die neue Verkehrskonzepte leisten müssen.
Zukünftige Mobilitätslösungen müssen ganzheitlich betrachtet werden und dabei alle möglichen Verkehrsmittel einbeziehen (Multimodalität). Dabei ermöglichen digitale Technologien eine optimale Planung und Koordination individueller Mobilität- und Transportketten für den Personen- und Güterverkehr. Damit wird die Mobilität zu einem kooperativen Zusammenspiel zwischen verschiedenen Verkehrsmitteln und Dienstleistungen wie Sharing-Angeboten. Damit die Komplexität in diesem System dennoch einen reibungslosen Ablauf und ein optimales Ineinandergreifen der verschiedenen Verkehrspartner zulässt, muss ein hoher Vernetzungsgrad zum Datenaustausch aufgebaut werden.
Im Zukunftslabor Mobilität verfolgen wir den Anspruch, zukunftsfähige Transportsysteme und mobilitätsunterstützende IT-Systeme zu entwickeln, die sich verträglich in die Lebenswelt in Stadt und Land sowie in bestehende Infrastrukturen und Verkehrssysteme einfügen. Im Vordergrund steht unter anderem die intermodale Mobilitätskette von Tür zu Tür, also die Auswahl und Kombination unterschiedlicher Verkehrsträger und Dienste auf Straßen, Schienen und Wasser. Die Mobilität umfasst zusätzlich zum individuellen Fahrzeug alle Mobilitätsträger und bildet somit das gesamte Mobilitätssystem ab. Wir verfolgen dabei einen nutzerzentrierten Ansatz, der sich an individuellen Bedarfen orientiert. Damit wollen wir auch die Mobilität in ländlichen, dünn besiedelten Räumen sicherstellen und den dort lebenden Menschen eine soziale Anbindung ermöglichen.
Maßgeblich für die Planung und Gestaltung zukünftiger Mobilitätslösungen sind die Nutzerbedürfnisse, die individuell sehr unterschiedliche sein können. In ländlichen Regionen sind beispielsweise andere Verkehrsanbindungen erforderlich als in der Stadt. Digitale Technologien sollen dabei den Zugang zu diesen Angeboten erleichtern und die Chancengleichheit für alle Nutzer fördern. Gleichzeitig gilt es umwelt- und sozialverträgliche Antworten auf das weiterwachsende Verkehrsaufkommen zu finden. Damit die Mobilität der Zukunft ihren Beitrag zur CO2-Reduzierung leisten kann, werden Daten benötigt, die Verkehrsmittel über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg betrachten und die zu einer effizienteren Nutzung der eingesetzten Ressourcen herangezogen werden.
Was noch zu tun ist
Viele Mobilitätskonzepte, die aktuell diskutiert werden, beschäftigen sich vordergründig mit urbanen Szenarien. Das betrifft beispielsweise Car-Sharing-Lösungen oder auch der Aufbau von Infrastruktur für neue Fahrzeugantriebe oder für Autonomes Fahren. Solche Konzepte berücksichtigen aber häufig nicht die speziellen Bedingungen und Anforderungen ländlicher Räume, wie sie im Flächenland Niedersachsen gehäuft vorzufinden sind. Das Zukunftslabor Mobilität erarbeitet daher einen speziellen Anwendungsfall „Sharing und autonomes Fahren im Flächenland“. Berücksichtigt werden dabei sowohl strukturelle Faktoren wie Verteilung, Rückführung und Auslastung von Verkehrsmitteln, als auch technische Voraussetzungen wie spezielle Fahrzeugfunktionen sowie ökonomische Aspekte wie Geschäftsmodelle und Plattform-Dienstleistungen. Um alle beteiligten Perspektiven in diesen praktischen Anwendungsfall zu integrieren, werden Praxispartner aus der Fahrzeugentwicklung, Dienstleistungsanbieter sowie Kommunen und Landkreise beteiligt.
Ein zweiter konkreter Anwendungsfall erarbeitet Konzepte für eine intermodale Mobilitätskette von „Tür-zu-Tür“. Es soll konkret demonstriert werden, wie sich verschiedene Fahrzeugsysteme und -funktionen mit Diensten und Dienstleistungen kombinieren lassen, um effiziente und robuste Mobilitätsketten aufzubauen. Auch für die Transportketten im Güterverkehr wird ein Anwendungsfall für die effiziente und sozialverträgliche letzte Meile erarbeitet. In einem vierten Anwendungsfall wird schließlich untersucht, wie sich eine effiziente Kopplung einzelner Verkehrsträger und Stakeholder im Seeverkehr mit Hinterlandanbindung umsetzen lässt. Jeder praktische Anwendungsfall dient zudem zur Einbindung verschiedener gesellschaftlicher Akteure (Privatpersonen, Gewerbetreibende, Mobilitätsverbände) sowie verschiedener Praxispartnern aus unterschiedlichen Bereichen in das Zukunftslabor.
ÜBER DAS ZUKUNFTSLABOR MOBILITÄT:
Zukunftslabor-Sprecher: Prof. Dr.-Ing. Thomas Vietor, TU Braunschweig & Sprecher des Niedersächsischen Forschungszentrums Fahrzeugtechnik (NFF)
Beteiligte wissenschaftliche Einrichtungen:
• TU Braunschweig - Institut für Softwaretechnik und Fahrzeuginformatik
• Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt Braunschweig - Institut für Verkehrssystemtechnik
• TU Clausthal - Institut für Informatik
• TU Clausthal - Institut für Software and Systems Engineering
• Georg-August-Universität Göttingen - Arbeitsgruppe Data Fusion
• Leibniz Universität Hannover - Institut für Kommunikationstechnik
• Leibniz Universität Hannover - Institut für Kartographie und Geoinformatik
• Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Abteilung Hybride Systeme
• OFFIS Institut - Bereich Verkehr
• Hochschule Osnabrück - Institut für Produktion und Logistik (LOGIS.NET)
• Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften - Institut für verteilte Systeme
Zum Start beteiligte Praxispartner: 24