NEWSLETTER ABONNIEREN
Sie interessieren sich für die Projekte und Ergebnisse unserer Zukunftslabore? Unser Newsletter fasst die wichtigsten Ereignisse alle zwei Monate zusammen.
Jetzt anmelden27.04.2021
Wie sich Menschen in Zukunft fortbewegen und auf welche Art und Weise Güter transportiert werden, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Doch mithilfe sogenannter Zukunftsszenarien besteht die Möglichkeit, sich einen Eindruck der zukünftigen Mobilität zu verschaffen. Diese Szenarien dienen dazu, eine oder mehrere alternative Visionen für das Mobilitätssystem von morgen zu finden. Das ist wichtig für die Planung und Gestaltung kommender Infrastrukturen, Mobilitätsträger und Dienstleistungen. Mithilfe der Szenarien können komplexe Zusammenhänge verschiedener Faktoren ermittelt werden, um Abhängigkeiten und Wechselwirkungen zu erkennen und diese in die Planungen einzubeziehen. Darüber hinaus ermöglichen Zukunftsszenarien die Identifikationen von Potenzialen und Herausforderungen zukünftiger Mobilitätslösungen.
Das Zukunftslabor Mobilität verknüpft verschiedene Methoden miteinander, um Zukunftsszenarien zu erstellen. Eine Möglichkeit bestand darin, in einer Studie die Vorstellungen von Jugendlichen und Erwachsenen über die Mobilität in 35 Jahren zu ermitteln. Die Jugendlichen vermuten, dass vermehrt E-Bikes und E-Lastenräder genutzt werden. Automobile werden elektrisch betrieben, autonom und unterirdisch fahren. Auch das Laden und Parken der Fahrzeuge wird unter der Erde stattfinden. Außerdem stellen sich die Jugendlichen vor, dass Pakete durch Magnetbänder ebenfalls unterirdisch zugestellt werden. Zusätzlich transportieren Notfalldrohnen Medikamente und Rettungskräfte an Einsatzorte. In der Vorstellung der Erwachsenen wird das Stadtbild stark von autonomen „Kapseln“ bestimmt. Diese autonomen Kapseln werden durch eine spezielle App gerufen und fahren direkt vor der Haustür los. Das besondere an den Kapseln ist, dass sie für längere Strecken auch an Zügen andocken können. Der Verkehr läuft nach den Vorstellungen der Erwachsenen teilweise unterirdisch. Hier parkt auch ihr privates Fahrzeug, das aber vor allem als Backup bei besonderen Ereignissen dient. In den Lüften der Städte fliegen Paketdrohnen und Notfalldrohnen.
Initiales Beziehungsmodell mobilitätsbezogener Einflussfaktoren
Eine weitere Möglichkeit zur Aufstellung von Zukunftsszenarien wurde durch die Auswertung von verfügbaren Studien und Szenarien durchgeführt. Die Wissenschaftler*innen sichteten Studien, die Aussagen über Mobilität für die Zeithorizonte 2020 bis 2050 treffen. Daraufhin erstellten sie einen Katalog mit Einflussbereichen, die laut Literatur das Mobilitätssystem prägen werden. Dazu zählen die fünf übergeordneten Einflussbereiche Gesellschaft, Technologien, Wirtschaft, Umwelt und Politik. Zu diesen fünf Aspekten ermittelten die Wissenschaftler*innen 19 Einflussfaktoren und über 100 Deskriptoren, welche die Einflussbereiche jeweils näher konkretisieren. Der Einflussbereich Gesellschaft lässt sich z. B. in die Einflussfaktoren Demografie, Informations- und Meinungsaustausch sowie Gruppeneinstellungen spezifizieren. Der Einflussfaktor Demografie wiederum kann gegliedert werden in Bevölkerungsentwicklung, Alters- und Gesundheitsstrukturen, usw. So entstand ein umfangreicher Katalog an potenziellen Einflüssen.
Anhand dieses Katalogs ordneten die Wissenschaftler*innen im nächsten Schritt verschiedene Zukunftsprognosen aus der Literatur den einzelnen Deskriptoren zu. Dadurch entstand eine Übersicht, die zeigt, welche Einflussbereiche, Einflussfaktoren und Deskriptoren in welcher Studie thematisiert werden und welche Zukunftsprognosen aktuell in der Kernliteratur diskutiert bzw. als Trend vorgeschlagen werden. Auf dieser Grundlage lassen sich Muster erkennen, alternative Zukunftsszenarien ableiten und individuelle Anwendungsfälle präzise beschreiben. Nachdem die Kerninformationen aus der Literatur extrahiert und aufbereitet wurden, analysierten die Wissenschaftler*innen im nächsten Schritt die Zusammenhänge zwischen den Einflussfaktoren unter Berücksichtigung der dazugehörigen Deskriptoren. Wenn sich z. B. die Verteilung der Bevölkerung auf Stadt und Land ändert (Einflussfaktor „Demografie“), dann wirkt sich diese Veränderung unmittelbar auf die Mobilitätsbedarfe und damit auf die Mobilitätsinfrastruktur im Einflussbereich „Umwelt“ aus. Solche Zusammenhänge verfeinerten die Wissenschaftler*innen in einem initialen Beziehungsmodell. Es zeigt nicht nur die Zusammenhänge der Faktoren auf, sondern stellt auch die Art (direkt oder indirekt) und die Stärke der Zusammenhänge dar. Diese grundlegenden Erkenntnisse sind relevant für die Planung zukünftiger Mobilitätslösungen. Nur wenn die unterschiedlichen Faktoren und deren Wechselwirkungen bekannt sind, können entsprechende Konzepte für Sharing und autonomes Fahren im Flächenland, für eine intermodale Mobilitätskette, für eine effiziente und sozialverträgliche letzte Meile sowie für eine intermodale Seeverkehr- und Hinterlandanbindung erarbeitet werden.
Aufbauend auf den Einflussfaktorenkatalog und dem initialen Beziehungsmodell werden wir im weiteren Verlauf der Frage nachgehen, wie alternative Zukunftsszenarien methodisch erstellt werden können, sodass die Ableitung von Anforderungen an die Mobilitätslösungen von morgen ermöglicht wird. Damit nähern wir uns Stück für Stück einem Szenario mit konkreten Anwendungsfällen, die uns als Grundlage für die Formulierung von Anforderungen unter Berücksichtigung des Megatrends Digitalisierung in weiteren Forschungstätigkeiten dienen.