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Jetzt anmeldenWer ist der Bundesverband der Energie-Abnehmer?
Der Bundesverband der Energie-Abnehmer e. V. (VEA) steht seit 70 Jahren Unternehmen aus der mittelständischen Wirtschaft und des öffentlichen Sektors als Energieberater für sämtliche Energiefragen zur Seite – unabhängig von Energieversorgern. Seit 2015 ist der VEA zudem als Initiator von Energieeffizienznetzwerken tätig und bietet aktuell etwa 200 Unternehmen aus dem Mittelstand die Möglichkeit, gemeinsam Energieeffizienzmaßnahmen erfolgreich zu entwickeln und umzusetzen. Neben dem Hauptaufgabengebiet der Energieberatung wirkt der VEA in der Politik darauf hin, dass die Bedürfnisse und Interessen seiner mehr als 4.500 Mitglieder bei energiepolitischen Fragen berücksichtigt werden.
Welche Herausforderung gab es?
In einem elektrischen Energiesystem können Ungleichgewichte zwischen Stromerzeugung und Stromverbrauch auftreten, die sich kritisch auf das Energienetz auswirken können. Um dies auszugleichen, werden sogenannten Flexibilitäten verwendet. Dabei wird die Einspeisung oder Entnahme elektrischer Energie in Reaktion auf ein externes Signal (z. B. eine Preisanpassung) verändert. Flexibilitäten spielen in der Energiewende eine wichtige Rolle, da sie trotz ungleichmäßig erzeugter erneuerbarer Energie eine sichere Stromversorgung gewährleisten.
In diesem Zusammenhang sind die Stromverbräuche von Einzelunternehmen interessant, da sie ein großes Potenzial für das Einbringen von Flexibilität darstellen. Heiz- und Kühlprozesse oder auch das Laden von dienstlichen Elektrofahrzeugen können so gesteuert werden, dass sie optimal zu einem Dargebot erneuerbarer Energie passen und gleichzeitig sowohl Anforderungen des Energiesystems als auch des Unternehmens vor Ort erfüllen.
Eine verlässliche Optimierung kann jedoch nur auf einer soliden Datengrundlage erfolgen. Fehler können zum Beispiel bei der Erhebung und Übertragung von Energieverbrauchs- und -erzeugungs-daten auftreten. Auch können Anlagen am Unternehmensstandort falsch eingestellt sein und auf diese Weise den Energieverbrauch erhöhen oder auf unbeabsichtigte Zeiten verschieben. Solche Fehler in der Datenverwaltung oder im Anlagenbetrieb können als Anomalien in Stromerzeugungs- oder Stromverbrauchszeitreihen digitalisiert erkannt werden – mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI).
Der VEA berät seine Mitgliedsunternehmen in verschiedenen Energiefragen und entwickelt seine Beratungsangebote kontinuierlich weiter. Auch bezüglich fehlerhafter Datengrundlagen und falsch konfigurierter Anlagen möchten der Verband seine Mitglieder beraten. Insbesondere das Themenfeld der KI-basierten Datenanalyse interessiert den VEA, jedoch fehlte bisher das erforderliche Know-how dafür.
Wie sah der Lösungsweg aus?
Aus vorangegangenen Arbeiten bestand bereits ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen dem VEA und dem wissenschaftlichen Mitarbeiter Paul Hendrik Tiemann (Universität Oldenburg, Abteilung Digitalisierte Energiesysteme), der am Zukunftslabor Energie beteiligt ist. Die Beteiligten entschieden sich dazu, gemeinsam einen KI-Algorithmus zu entwickeln, der Anomalien in der Datenverwaltung oder im Anlagenbetrieb automatisiert erkennt. Algorithmen müssen mit Daten trainiert werden, damit sie eigenständig Entscheidungen treffen können. Die erforderliche Datengrundlage stellte der VEA zur Verfügung, indem er den Wissenschaftler*innen Zugriff auf einen Datenpool der Mitgliedsunternehmen gewährte und Kontakt zu den Unternehmen herstellte. Dadurch konnten die Wissenschaftler*innen den Algorithmus anhand echter Daten aus der Praxis trainieren und testen. Im ersten Schritt wählten Mitarbeiter*innen des VEA und Wissenschaftler*innen der Universität Oldenburg aus der Vielzahl an Daten die passenden für das Vorhaben aus. Im zweiten Schritt wählte ein Informatikstudent der Leibniz Universität Hannover, Simon Reuß, im Rahmen seiner Masterarbeit die für die Problemstellung passenden Algorithmen aus, trainierte sie mit den Daten und wertete die erstellten Modelle aus. Dafür kennzeichnete er unter anderem fehlerhafte Daten, damit der Algorithmus diese von „richtigen“ Daten unterscheiden kann.
Welche Ergebnisse liegen vor?
Bei der Aufbereitung der Daten tauschten die Beteiligten wertvolles Wissen aus. Die Wissenschaftler*innen brachten den Mitarbeiter*innen der VEA Data Science Methoden näher und zeigten insbesondere die Bedeutung und Verwendungsmöglichkeiten dessen für die tägliche Praxis mittelständischer Unternehmen auf. Im Gegenzug gewannen die Wissenschaftler*innen neue Kontakte zu Unternehmen aus der Energiebranche und erhielten Einblicke darin, welche Fallstricke bei der Anomalie-Detektion für mittelständische Unternehmen existieren. Daten können z. B. nicht beliebig lange verwendet werden. Wenn neue Anlagen installiert werden, ändert sich der Lastgang stark und ist nicht mehr aussagekräftig für die neue Situation. Auch besondere Ereignisse im Unternehmen (z. B. Sonderschichten am Wochenende) können zu Anomalien führen, die keine extra Reaktionen erfordern.
Die Verwendung einer automatisierten Anomalieerkennung auf Lastgangdaten ist eine hochspannende Angelegenheit. Dieser Ansatz birgt enorm großes Potenzial und ist sehr interessant für unsere Mitgliedsunternehmen. In der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den Wissenschaftler*innen des ZDIN haben wir Einblicke in die Entwicklung hochmoderner KI-Algorithmen erhalten. Diese Zusammenarbeit zeigt, wie der Transfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft erfolgreich verlaufen kann, sodass beide Seiten voneinander profitieren. Besonders beeindruckend für uns war, wie wenig Rechenzeit zum Teil erforderlich ist. Überspitzt gesagt: Man drückt auf den Knopf und erhält direkt das Ergebnis.
Was hat das ZDIN beigetragen?
Die Universität Oldenburg ist Teil des Zukunftslabors Energie und verfügt dadurch über Kontakte zu niedersächsischen Partnern der Energieforschung. Der interdisziplinäre Austausch innerhalb des Zukunftslabors trägt dazu bei, die Perspektiven unterschiedlicher Forschungsrichtungen einfließen zu lassen und vielschichtige Lösungsansätze zu entwickeln. Die Partner des Zukunftslabors Energie brachten ihre Expertise bezüglich der Entwicklung des KI-Algorithmus in das Vorhaben ein, sodass der VEA von gebündeltem Know-how der niedersächsischen Energieforschung profitierte. Außerdem stellte das Zukunftslabor Energie den Kontakt zum Studenten Simon Reuß her, der im Rahmen seiner Masterarbeit die Datenaufbereitung für den Algorithmus vornahm. Dadurch ermöglichte das Zukunftslabor eine Verknüpfung aus Lehre, Praxis und Forschung.
Das gemeinsame Vorhaben war darüber hinaus der Beginn einer starken Kooperation. Denn das Zukunftslabor Energie bezieht den VEA über dieses Vorhaben hinaus in seine Forschungstätigkeiten ein. Zum Beispiel interviewten Wissenschaftler*innen des Zukunftslabors den VEA bezüglich der Forschungsplattform, die innerhalb des Zukunftslabors entwickelt werden soll. Der VEA konnte auf diesem Wege seine Anforderungen an solch eine Plattform mitteilen und damit die Wünsche seiner Mitgliedsunternehmen platzieren.