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Jetzt anmeldenMobilität ist im Alltag nicht nur selbstverständlich geworden, sondern auch wesentliche Voraussetzung für Wohlstand, wirtschaftlichen Erfolg und Lebensqualität. Bei zunehmender Bevölkerungszahl und immer individuelleren Bedürfnissen wird deutlich, dass sich die Mobilität verändern muss, um den gesellschaftlichen Ansprüchen gerecht zu werden. Dabei reicht es nicht, lediglich die Antriebstechnik auszutauschen oder die herkömmliche Infrastruktur auszubauen. Ökonomische, ökologische und soziale Bedürfnisse ändern sich kontinuierlich und erfordern neue Konzepte für Mobilität. Dabei müssen zentrale Konflikte bedacht werden: Wie können Lärm und Emissionen bei steigendem Personen und Güterverkehr reduziert werden? Inwiefern ist der Wunsch nach individueller Mobilität mit der wachsenden Weltbevölkerung in Ballungsräumen vereinbar? Welche Möglichkeiten gibt es, den zunehmenden Verkehr ressourcenschonend und energieeffizient zu gestalten? Auf das Bundesland Niedersachsen kommen darüber hinaus weitere Herausforderungen zu. Da es sich um ein Flächenland handelt, spielt die Anbindung ländlicher Regionen eine wesentliche Rolle. Außerdem wird fast der gesamte deutsche Seeverkehr über die niedersächsische Küste abgewickelt, sodass effiziente Logistik ketten für den Gütertransport ins Landesinnere erforderlich sind.
Zwischen dem Straßen, Schienen- und Schiffsverkehr gibt es viele strukturelle Gemeinsamkeiten, die für die Digitalisierung der Mobilität hilfreich sind. Zum Bei spiel kann die sensorbasierte Umgebungswahrnehmung sowohl in LKW als auch in Güterzügen und Schiffen eingesetzt werden. Durch diese Gemeinsamkeiten können wir im Zukunftslabor Mobilität Querschnittsthemen wie Künstliche Intelligenz einmal erforschen und auf alle drei Bereiche anwenden.
Eine weitere Aufgabe besteht darin, alle Elemente der Mobilität gleichermaßen zu berücksichtigen. Denn Mobilität umfasst neben den zu transportierenden Menschen und Gütern auch die Fahrzeuge (wie Autos, Züge, Schiffe), die Verkehrswege (Straße, Schiene, Wasser) und die Umwelt sowie deren Interaktion. Das Zusammenspiel dieser Elemente muss diverse Anforderungen der Menschen erfüllen und zu gleich eine möglichst schonende Nutzung der Umwelt ermöglichen. Lärm, Emissionen und Ressourcenverbrauch gilt es zu senken. Zudem sollten neue Technologien auch zur Kostensenkung der Verkehrs und Transportbetriebe (wie Reedereien, Spediteure) beitragen, damit diese weiterhin rentabel wirtschaften können. Eine umfassende Vernetzung von Fahrzeugen, Verkehrswegen und Infrastruktur ist erforderlich, um Mobilität effizient zu gestalten und um den verschiedenen ökonomischen, ökologischen sowie sozialen Ansprüchen gerecht zu werden.
Die Digitalisierung und Vernetzung bieten Möglichkeiten für ein umfassendes, neues Mobilitätssystem. Konzepte wie Shared Mobility oder autonomes Fahren sind längst keine Zukunftsvision mehr. Das Zukunftslabor Mobilität des ZDIN beschäftigt sich mit digital gestützten Lösungsansätzen für die Gestaltung einer zukunftsfähigen Mobilität. Die beteiligten Wissenschaftler*innen arbeiten in vier Teilprojekten mit unterschiedlichen Schwerpunkten an konkreten Lösungsansätzen und übertragen diese auf vier verschiedene Anwendungsfälle. Ziel ist es, die entwickelten Ansätze gemeinsam mit Praxispartnern in die Realität umzusetzen.
THEMENSCHWERPUNKTE
SMART MOBILITY SYSTEMS AND TECHNOLOGIES
Die Wissenschaftler*innen des Teilprojekts „Smart Mobility Systems and Technologies” untersuchen, wie Fahrzeuge und Infrastruktur aufeinander einwirken. In diesem Zusammenhang entwickeln sie Fahrzeuge, die Informationen aus ihrer Umwelt sammeln und daraus automatisiert ihr Verhalten ableiten (sogenannte intelligente Systeme). Dazu zählt unter anderem die Kollisionsvermeidung: Intelligente Fahrzeugsysteme erkennen Situationen, in denen zum Beispiel eine Notfallbremsung auf der Autobahn nicht ausreicht, und wechseln automatisch auf eine freie Spur. Solche Fahrzeugsysteme sind Voraussetzung für automatisiertes Fahren. Die Wissenschaftler*innen betrachten Mobilität als System of Systems; ein System, in dem durch die Zusammenführung unabhängiger Elemente (in diesem Fall Menschen, Güter, Fahrzeuge, Infrastruktur) neue Eigenschaften entstehen. Zum Beispiel tauschen Computersysteme auf Schiffen Daten mit Logistik und Häfen aus, um möglichst kosten- und ressourcensparende Routen zu bestimmen und Wartezeiten zu reduzieren.
Neben der Entwicklung intelligenter Fahrzeugsysteme und –funktionen arbeiten die Forscher*innen auch an deren Absicherung. Zum einen geht es um den Schutz vor Fehlfunktionen, die unabsichtlich bei der Entwicklung von Hard- und Software entstehen können (Safety). Zum anderen geht es um die Absicherung gegen absichtliche Angriffe Dritter, die gezielt nach Schwachstellen in der Programmierung suchen, um Schaden anzurichten (Security).
Bei der Planung und Gestaltung intelligenter Fahrzeugsysteme berücksichtigen die Wissenschaftler*innen auch deren Lebenszyklus. Das bedeutet, dass sie schon bei der Entwicklung der Fahrzeuge mögliche Nachbesserungen für Hard- und Software einkalkulieren. So können im Echtbetrieb Defizite, Funktionserweiterungen sowie Aktualisierungsmöglichkeiten der Fahrzeuge erkannt und mit nachträglichen Updates und Konfigurationen optimiert werden. Diese Möglichkeit verlängert die Lebensdauer der Fahrzeuge, wodurch wiederum die Umwelt geschont wird. Zusätzlich arbeiten die Forscher*innen an der automatisierten Rückführung von Fahrzeugen im Sharing-Betrieb. Diese ermöglicht eine gleichmäßige Verteilung von Sharing-Möglichkeiten innerhalb eines Gebiets und reduziert die Personalkosten der Betreiber, da abgestellte Fahrzeuge nicht mehr durch Angestellte zurückgeführt werden müssen.
Um die Mobilität der Zukunft zu gestalten, sind neue Fahrzeugsysteme und Fahrzeugfunktionen erforderlich. Diese neuen Systeme müssen die Möglichkeit enthalten, Fahrzeuge nachträglich an den neusten Stand der Technik anzupassen. Denn so kann der Ressourcenaufwand dauerhaft minimiert werden und gleichzeitig ein großer Nutzen gewährleistet werden. Dafür benötigen wir neue und angepasste Entwicklungs-methoden und -werkzeuge.
SMART MOBILITY DATA HANDLING
Beim Teilprojekt "Smart Mobility Data Handling" geht es darum, Mobilitätsdaten sicher zu erfassen, auszuwerten und miteinander zu verknüpfen. Daten sind die Grundlage für eine vernetzte und digitale Mobilität und deshalb von zentraler Bedeutung für neue Mobilitätssysteme. Die Herausforderung besteht hier vor allem in der Vielzahl unterschiedlicher Daten, die von verschiedenen Quellen erhoben und bereitgestellt werden. Beispielsweise kommuniziert ein hochautomatisiertes Auto nicht nur mit anderen Verkehrsteilnehmenden, sondern auch mit Ampeln, Bahnschranken, Wetterdiensten, etc. Hier wird von der V2X-Kommunikation („vehicle to everything“) gesprochen, also die Kommunikation zwischen einem Fahrzeug und seiner Umgebung. Bei der Erhebung und Verarbeitung dieser umfangreichen Daten ist es wichtig, Datenarchitekturen zu entwickeln, die den heutigen und zukünftigen Anforderungen sowohl von Dienstanbietern als auch von Nutzerinnen und Nutzern entsprechen. Dies schließt die Kontrolle über die Daten und die Datentransparenz ein.
Für die Erfassung, Auswertung und Fusionierung von Mobilitäts- und Verkehrsdaten gilt es, sichere Technologien und Methoden zu finden. Außerdem sind Daten-architekturen erforderlich, um Zuverlässigkeitsanforderungen und den Schutz von personenbezogenen Daten zu gewährleisten.
Darüber hinaus ist es Aufgabe der Forscher*innen, Konzepte zu Safety, Security und Privacy zu entwickeln. Bei Privacy geht es darum, personenbezogene Daten vor dem Zugriff durch Unbefugte zu schützen, damit diese die Daten nicht zu ihren Zwecken und ohne Einverständnis der betroffenen Personen nutzen können. Hier gilt es auch, die rechtlichen Rahmenbedingungen, die zum Beispiel die Datenschutzgrundverordnung mit sich bringen, in derartig komplexen Systemlandschaften zu erfüllen. Außerdem werden in diesem Teilprojekt Lösungsansätze entwickelt, wie die umfangreichen und unterschiedlichen Mobilitätsdaten zusammengeführt (fusioniert) werden können, ohne dass darunter die Qualität der Daten leidet. Dies ist eine zentrale Anforderung des Datenmanagements, um auch zukünftig neue Technologien und Modelle zur Datenerhebung und -verarbeitung einzubinden. Die Entwicklung von Standards soll dabei unterstützen, die enorme Menge Daten heterogener Systeme effizient zu bewältigen.
MOBILITY AS A SOLUTION
Die Wissenschaftler*innen des Teilprojekts „Mobility as a Solution” beschäftigen sich mit intermodalen Mobilitätsketten. Dabei geht es darum, verschiedene Verkehrsmittel aufeinander abzustimmen, sodass ein lückenloser Transport gewährleistet wird. Das gilt für Personen, die auf ihrem privaten oder beruflichen Weg zum Beispiel den Zug und das Auto nutzen, und für Güter, die mithilfe unterschiedlicher Verkehrsmittel wie Schiff und LKW transportiert werden. Durch den lückenlosen Transport wird einerseits Zeit gespart, da unnötige Wartezeiten vermieden werden. Andererseits werden Ressourcen gespart, weil die Fahrzeugkapazitäten besser ausgelastet sind und somit weniger Kraftstoff verbraucht wird. Um intermodale Mobilitätsketten zu ermöglichen, werden Fahrzeugfunktionen, Verkehrswege und Infrastruktur im Sinne eines Systems of System miteinander verknüpft. Denn nur bei einer ganzheitlichen Betrachtung des Verkehrssystems können die Fähigkeiten und Ressourcen der einzelnen Elemente effizient verbunden werden.
Bei der systemisch geprägten Planung und Optimierung intermodaler, umwelt- und sozialverträglicher Mobilitäts- und Transportlösungen sind insbesondere die unterschiedlichen Verkehrsträger und -Mittel, Antriebskonzepte sowie konkreten Nutzungsbedarfe zu beachten. In diesem Zusammenhang ist es ebenfalls notwendig, dass wir stets offene und transformationsfähige Lösungen aufzeigen können.
Bei ihrer Arbeit analysieren die Forscher*innen die spezifischen Merkmale und Anforderungen der verschiedenen Systeme und leiten daraus Ansätze für eine intermodale Mobilität ab (sogenannte systemorientierte Vorgehensweise). Sie untersuchen zum Beispiel die Eigenheiten des Systems Schienenverkehr und entwickeln darauf zugeschnittene Lösungsansätze, um Personen und Güter in Anknüpfung an andere Transportmöglichkeiten möglichst lückenlos und ressourcenschonend zu befördern. Die zu entwickelnden Mobilitätsservices müssen dabei den Ansprüchen verschiedener Stakeholder (Privatpersonen, Logistikbranche, Verantwortliche für Infrastruktur, etc.) gerecht werden, damit diese die intermodalen Angebote nutzen. Deshalb führen die Forscher*innen frühzeitig Studien durch, um die Bedürfnisse der Nutzer*innen sowie deren Akzeptanz für digital gestützte Mobilitätsketten zu ermitteln und in die Planungen zu integrieren.
SERVICE-DRIVEN MOBILITY
Das Teilprojekt „ServiceDriven Mobility” konzentriert sich auf Produkte und Dienstleistungen, mit denen der Personen und Güterverkehr effizient organisiert werden kann. Ausgehend von der Annahme, dass Fahrzeuge und Infrastruktur hochgradig vernetzt sind, entwickeln die Forscher*innen neue Produkte und Geschäftsmodelle für intelligente Fahrzeuge und intermodale Mobilitätslösungen. Dabei handelt es sich vor allem um plattformbasierte Dienstleistungen für die nutzerspezifische Mobilitätsplanung und um Geschäftsmodelle für das intelligente Fahrzeug. Auch Function-On-Demand-Services sind Thema des Teilprojekts, wobei es sich um das Abrufen von Produkten oder Dienstleistungen nach Bedarf handelt. Dadurch können Nutzer*innen auch nach dem Kauf ihres Fahrzeuges oder beim Carsharing verfügbare Updates wie Fahrerassistenzsysteme oder Infotainment hinzubuchen.
Durch die hochgradige Vernetzung intelligenter Fahrzeugsysteme und Infrastrukturen werden neue Dienstleistungen und Geschäftsmodelle für individuelle und gemeinsame Mobilität möglich. Essenziell für nachhaltige Akzeptanz dieser Dienstleistungen und Modelle ist ihre Vertrauenswürdigkeit by Design für alle Stakeholder.
Solche neuen digitalen Geschäftsmodelle ermöglichen eine flexiblere Gestaltung individueller Mobilität. Damit die Verbraucher*innen diese Angebote später auch nutzen, müssen sie ihren Bedürfnissen entsprechen. Dazu zählt einerseits eine intuitive, nutzerfreundliche Bedienung. Anderseits ist auch der Datenschutz relevant. Die Forscher*innen analysieren, wie viele und welche Daten die Mobilitätsservices für eine umfassende Funktionalität benötigen und welche Daten die Nutzer*innen bereit sind, preiszugeben. Hier greift das Prinzip der Datensparsamkeit: Es werden so viele Daten wie nötig und so wenig Daten wie möglich erhoben, verarbeitet und gespeichert. Grundsätzlich ist es wichtig, mit den neuen Angeboten einen deutlichen Mehrwert für die Nutzer*innen zu schaffen, damit sie ihre herkömmlichen Verhaltensweisen ändern und die neuen Geschäftsmodelle in Anspruch nehmen. In diesem Zusammenhang analysieren die Wissenschaftler*innen, wie neue Mobilitätstechnologien effektiv auf dem Markt eingeführt werden können.
ANWENDUNGFÄLLE
Die Methoden und Ansätze für innovative Mobilitätstechnologien, die in den vier Teilprojekten entwickelt werden, sollen gemeinsam mit Praxispartnern umgesetzt werden. Dafür gibt es folgende konkrete Anwendungsfälle:
Zum einen geht es um Sharing und Autonomes Fahren im Flächenland Niedersachsen. Die Teilprojekte entwickeln umfassende Sharing-Lösungen, in denen die (automatisierte) Verteilung und Auslastung von Verkehrsmitteln berücksichtigt wird. Das schließt auch die Entwicklung erforderlicher Fahrzeugfunktionen und entsprechender Geschäftsmodelle, Plattformen und Dienstleistungen mit ein. Zum anderen geht es um eine intermodale Mobilitätskette „Tür zuTür”. Dieser Anwendungsfall soll zeigen, wie Verkehrsmittel kombiniert werden können, um möglichst effizient von A nach B zu gelangen. Hierfür werden exemplarisch Mobilitätsketten aus dem ländlichen Raum in Großstädte sowie innerhalb eines Wirtschaftszentrums (z. B. Wolfsburg) analysiert. Des Weiteren wird der Anwendungsfall „Effiziente und sozialverträgliche letzte Meile” thematisiert. Bei der letzten Meile handelt es sich um den letzten Abschnitt einer Transportkette, also die Lieferung an die einzelnen Kund*innen. Es geht darum, wie (intermodale) Transportketten zu gestalten sind, um eine ressourcenschonende und sozialverträgliche Zustellung zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang werden die erforderlichen Fahrzeugsysteme und funktionen, der sichere Datenaustausch und entsprechende Produkte und Dienstleistungen betrachtet. Schließlich fließen die Ergebnisse der Teilprojekte in den Anwendungsfall „Intermodale Seeverkehrs und Hinterlandanbindung” ein, der ins besondere hochautomatisierte Technologien wie autonome Schiffe und deren effiziente Vernetzung mit Stakeholdern (z. B. Häfen) untersucht. Intermodale Transportketten können nicht nur Zeit sparen, in dem Wartezeiten verhindert werden, sie tragen auch zur Entlastung der Umwelt bei und reduzieren Kosten. Einem Containerschiff kann z. B. über ein intelligentes Planungssystem mitgeteilt werden, dass es aufgrund von Verzögerungen am Entladehafen langsamer fahren kann, um Treibstoff zu sparen und weniger Emissionen auszustoßen.