NEWSLETTER ABONNIEREN
Sie interessieren sich für die Projekte und Ergebnisse unserer Zukunftslabore? Unser Newsletter fasst die wichtigsten Ereignisse alle zwei Monate zusammen.
Jetzt anmeldenIn der Corona-Pandemie wird das Potenzial digitalisierter Gesundheitsdaten sehr deutlich: Die Informationen über Infizierte und Geimpfte bestimmen das Handeln der Politik und beeinflussen das gesellschaftliche Leben. Mithilfe medizinischer Daten ist es möglich, die Ausbreitung neuer Virusvarianten nachzuverfolgen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Insbesondere die Schnelligkeit der Datenübermittlung trägt dazu bei, auf kritische Entwicklungen zügig zu reagieren. Voraussetzung dafür ist, dass die Daten nicht manuell in Papierform erfasst und verschickt werden, sondern digital. Die Pandemie zeigt auch, dass in Deutschland die erforderliche Infrastruktur für den Austausch der Daten nicht ausgereift ist. Der Informationsaustausch zwischen Arztpraxen, Gesundheitsämtern und dem Robert Koch-Institut verläuft nicht reibungslos, sodass neue Entwicklungen nicht immer zeitgerecht erfasst werden.
Nicht nur für die Bewältigung von Pandemien ist ein digitales Gesundheitssystem relevant. Es gibt auch darüber hinaus zahlreiche Vorteile, wenn Daten von Patienten*innen unter medizinischen Einrichtungen ausgetauscht werden. Krankheitsbilder können umfangreicher erfasst werden, wenn Behandlungsdaten z. B. aus Physiotherapie, Allgemeinmedizin und Krankenhäusern zusammenführt werden. Ebenfalls können Erkrankungen frühzeitiger erkannt und neue Therapien zielgerichteter entwickelt werden. Eine Herausforderung dabei ist, die unterschiedlichen Daten so zusammenzuführen und auszuwerten, dass ihre Bedeutung unverändert bleibt.
Das Zukunftslabor Gesundheit entwickelte ein Konzept für die Infrastruktur einer Datenplattform, welche die Überführung und Nutzung von Gesundheitsdaten in standardisierter Form ermöglicht. Für die Verwaltung, die Speicherung, den Abruf und den Austausch von Gesundheitsdaten nutzen die Wissenschaftler*innen den Standard open Electronic Health Records (openEHR). Dabei handelt es sich um ein Technologieframework, das die Abbildung von Gesundheitsdaten in einer elektronischen Patientenakte standardisiert. openEHR ermöglicht im Sinne der Open Science eine offene Nutzung von Datenmodellen, sodass andere an den Ansätzen weiterarbeiten, sie verbessern oder weiterentwickeln können.
Um die Plattform bedienen zu können, sind sogenannte Plattformwerkzeuge erforderlich. Diese gewährleisten die Integration (Input), die Verwaltung und den Abruf der Daten (Output). Für den Dateninput, entwickelten die Wissenschaftler*innen den sogenannten openEHR-ETL-Loader. ETL steht für „extract, tranform, load“ und bedeutet, dass die Daten aus der medizinischen Einrichtung ausgehend von einem tabellarischen Format (z. B. einer CSV-Tabelle) für openEHR transformiert werden. Der openEHR-ETL-Loader ermöglicht es also, Daten in das offene Format von openEHR zu übertragen und damit gleichzeitig zu vereinheitlichen. Dies ist Voraussetzung dafür, Daten mehrerer Einrichtungen (z. B. Krankenhaus, Rehabilitationseinrichtung) zu verknüpfen. Auch kleinere Arztpraxen können über das Werkzeug Daten in die Plattform überführen.
Die Daten werden auf einen openEHR-Server übertragen, für dessen technische Umsetzung eine hochentwickeltes und weitverbreitete Software verwendet wird – die sogenannte EHR-Base.. Bei der Auswahl des Servers hatten die Wissenschaftler*innen verschiedene Konzepte geprüft und festgestellt, dass die Open Source Software EHR-Base für das Vorhaben am besten geeignet ist. Der Datenoutput soll im Sinne der FAIR-Prinzipien erfolgen (findable, accessible, interoperable, reusable). Demnach sollen die Daten sowohl von Menschen als auch von Computerprogrammen gefunden werden können (findable) und zugänglich sein (accessible), damit Wissenschaftler*innen interessante Datensätze identifizieren und nutzen können. Außerdem sollen sie in einem Format vorliegen, das einem technischen Standard in der Gesundheitsinformatik entspricht (interoperable), damit sie mit anderen Datensätzen verknüpft werden können. Schließlich sollen die Datensätze über Metadaten beschrieben werden, sodass sie für weitere Forschungen nutzbar sind (reusable).
Für den Abruf der Daten nutzen die Wissenschaftler*innen ein Portal, das das Netzwerk der Universitätsmedizin (NUM) entwickelt hat. Es bietet eine Übersicht über (Meta-)Daten, Abfragen und einen Datenexplorer. Über das webbasierte NUM-Portal können die Daten des Zukunftslabors also gefunden und abgerufen werden.
Um zu testen, ob der Daten-Upload über den openEHR-ETL-Loader in die EHR-Base funktioniert, übertrugen wir testweise einen Beispieldatensatz aus dem artverwandten Projekt „HiGHmed“, bei dem einige unserer Wissenschaftler*innen involviert sind. Je mehr verschiedene Daten testweise übertragen werden, desto intensiver können wir die Funktionsweise des ETL-Loaders testen. Deswegen werden wir noch weitere Datensätze in die EHR-Base überführen. Aus den Ergebnissen der Tests soll ein Handbuch zum Umgang mit dem ETL-Loader entstehen.
Darüber hinaus nahmen die Wissenschaftler*innen anhand eines Beispieldatensatzes eine Modellierung in openEHR vor, um Kenntnisse im Umgang mit dem Datenstandard zu gewinnen. Für die Modellierung erstellten sie unter anderem Archetypen; das sind maschinenlesbare, abgestimmte Repräsentationen relevanter klinischer Konzepte (z. B. Blutdruck) als (Daten-)Modelle. In Templates werden diese Archetypen so miteinander verknüpft, dass verschiedene Anwendungsfälle (z. B. medizinische Dokumente) abgebildet werden können. Aufbauend auf ihren bisherigen Erkenntnissen entwickelten die Wissenschaftler*innen einen Interviewleitfaden, um artverwandte Projekte mit medizinischen Datenintegrationszentren (sog. MeDICs) wie HiGHmed und COFONI zu interviewen. In diesen kommen neben dem Standard openEHR noch andere Standards wie z. B. FHIR (Fast Healthcare Interoperability Resources) und OMOP (Observational Medical Outcomes Partnership) zum Einsatz. Ziel der Interviews war es herauszufinden, welcher Modellierungsansatz in den Projekten gewählt wurde, und welche Erfahrungen damit gemacht wurden. Daraus werden die Wissenschaftler*innen des Zukunftslabors ein Handbuch zur Modellierung von Gesundheitsdaten erstellen. Darin werden sie empfehlen, welche Ansätze für welche Zwecke sinnvoll sind und was es zu beachten gilt.
Am Teilprojekt „Datenanalyse und Datenaustausch im Gesundheitssystem“ sind folgende Forschende seit Beginn involviert: