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Jetzt anmeldenDie Digitalisierung der Arbeitswelt schreitet schon seit Jahren voran. In den vergangenen zwei Jahren erhielt dieser Prozess eine deutliche Beschleunigung. Aufgrund der Corona-Pandemie wurden in etlichen Fällen mehr Tätigkeiten ins Homeoffice verlegt. Eine repräsentative Erwerbstätigenbefragung der Hans-Böckler-Stiftung ergab, dass vor der Pandemie 4 % der Beschäftigten in Deutschland ihren Beruf aus dem Homeoffice ausübten. Im ersten Lockdown (April 2020) arbeiteten hingegen 27 % und damit mehr als ein Viertel der Befragten ausschließlich oder überwiegend von zuhause. Wirkungen von Digitalisierung sind hierdurch noch stärker erfahrbar geworden. Die Unternehmen waren und sind weiterhin dazu aufgefordert, Prozesse digital zu organisieren und neue Formen der Arbeit zu ermöglichen. Die Betriebe stehen dabei vor drei zentralen arbeitspolitischen Herausforderungen. Zum einen sollten sie ihre Mitarbeiter*innen bei der Digitalisierung aktiv einbeziehen, um Technikanwendungen und digitale Prozesse nutzerzentriert zu gestalten und dadurch mehr Akzeptanz bei den Beschäftigten zu erreichen. Zum anderen erfordert der Einsatz digitaler Technologien Klärungen und Regelungen, so kann Digitalisierung beispielsweise zu einer höheren Transparenz führen, wodurch Mitarbeiter*innen häufig eine verstärkte Kontrolle und geringere Handlungsspielräume befürchten. Darüber hinaus wird es für die Unternehmen immer wichtiger, digitalisierungsbezogene Qualifikationen im Haus zu erweitern und insgesamt die Arbeit lernförderlicher zu gestalten.
Die Wissenschaftler*innen des Zukunftslabors Gesellschaft & Arbeit erforschen in Fallstudien, wie Mitarbeiter*innen in die Gestaltung digitaler Technologien und in die Organisation neuer Prozesse einbezogen werden können. Da die eingesetzten Technologien je nach Organisation und Arbeitsfeld variieren, werden hierbei unterschiedliche Branchen in den Blick genommen: Industrie/Produktion, Pflege und Verwaltung. Im Rahmen der Fallstudien werden unterschiedliche Methoden angewandt. Dazu zählen Beobachtungen vor Ort, bei denen die Wissenschaftler*innen die Beschäftigten bei ihrer Arbeit begleiten und ihnen Fragen stellen sowie Expertengespräche, um z. B. Vorgesetzte, Technikexpert*innen oder Betriebs- und Personalräte zu Kontextinformationen und Einschätzungen zu befragen. Auch mit den Beschäftigten selbst werden Interviews geführt. Darin geht es vor allem darum, wie sie ihre Arbeit wahrnehmen und wo sie Gestaltungsmöglichkeiten oder auch Defizite in bestehenden Abläufen und Technikanwendungen sehen. Außerdem sind Gruppendiskussionen geplant, in denen unterschiedliche Unternehmensangehörige ihre Erfahrungen oder offene Fragen diskutieren.
In einer der ersten Fallstudien des Zukunftslabors Gesellschaft & Arbeit kommen insbesondere Interviews mit Führungskräften und Beschäftigten zum Einsatz. Sie wird gemeinsam mit einem Praxispartner aus der Industrie durchgeführt. Die Wissenschaftler*innen untersuchen, wie das Verpacken von Produkten mithilfe von Augmented Reality (AR) unterstützt werden kann. Je nach Auftrag wählen die Beschäftigten die unterschiedlichen Bestandteile des Auftrages und Verpackungsmaterial aus und fügen ggf. noch Werbebroschüren bei. Über die AR-Brille können im Sichtfeld z. B. Informationen für die Auftragszusammenstellung eingeblendet werden, dazu welche Verpackungs- und Werbematerialen für dieses spezielle Produkt verwendet werden sollen. Diese Assistenzsysteme sind besonders interessant, da gerade Saisonarbeiter*innen schnell eingearbeitet werden müssen und gleichzeitig potenzielle Fehlerquellen vermieden werden sollen.
Ein zusätzliches Ziel des Zukunftslabors ist es, durch den Einsatz von AR und Gamification motivationssteigernde Wirkungen zu erzeugen. Für die Entwicklung der AR-Anwendungen erstellen die Wissenschaftler*innen eine Testumgebung eines Verpackungsarbeitsplatzes. An diesem können im Reallabor wissenschaftliche Experimente durchgeführt und das Assistenzsystem evaluiert werden. Im kommenden Jahr werden die Wissenschaftler*innen die Anwendungen auch vor Ort im Unternehmen evaluieren. Mitarbeiter*innen aus dem Betrieb können ihre Erfahrungen mit dem Assistenzsystem schildern, und Verbesserungen vorschlagen. Darüber hinaus werden die Wissenschaftler*innen auch die Einschätzungen der Führungsebene und der Informatiker*innen einholen. Weitere Fallstudien liegen im Bereich der Pflege und der Verwaltung. Die Untersuchungen des Zukunftslabors Gesellschaft & Arbeit folgen Grundprinzipien des Participatory Designs und zeichnen sich durch einen arbeits- und prozessbezogenen Forschungsansatz aus. Im Mittelpunkt stehen dabei die sich im Zuge von Digitalisierungsprozessen verändernden Arbeitsanforderungen. Menschliche Arbeitskraft behält auch in der digitalen Arbeitswelt eine technisch-sachbezogene sowie eine ökonomische Funktion und muss aus Sicht der Arbeitenden zugleich leistbar und wertvoll sein. Zudem sollte sie Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten bieten. In den Forschungsaktivitäten des Zukunftslabors werden Organisationsformen von Arbeit, Managementkonzepte und Nutzungsformen der Digitalisierung auf ihre Wirkungen hin untersucht und Gestaltungsformen der Digitalisierung entwickelt und analysiert, die den erweiterten Ansprüchen in technisch-funktionaler, ökonomischer und humanorientierter Hinsicht gerecht werden.
Ein auf konkrete Arbeitsprozesse und spezifische Nutzungsformen von Digitalisierung orientierter Forschungsansatz scheint gerade angesichts bisher vorliegender Ergebnisse der arbeitssoziologischen Forschung sinnvoll.
In arbeitssoziologischen Studien wird deutlich, dass Digitalisierung keine einheitlichen Auswirkungen auf die Arbeit hat. Stattdessen gibt es Unterschiede zwischen Branchen, Tätigkeitsbereichen und Technologien. Digitalisierung ist häufig sogar eher ein Verstärker und Beschleuniger bereits laufender Trends und Dynamiken. Auswirkungen auf die Arbeit erfolgen meist schrittweise, selten ruckartig. Im Zuge von Digitalisierung gewinnt Arbeitspolitik, gemeint sind Fragen der Gestaltung, Organisation und Regulierung von Arbeit, noch mehr an Bedeutung. Insbesondere der Wunsch, aber auch der Bedarf bei den Beschäftigten, Technik, Arbeit und Organisation mitzugestalten, wächst.
Im Verlauf des Zukunftslabors werden die Wissenschaftler*innen weitere Fallstudien in den Bereichen Pflege und öffentliche Verwaltung durchführen sowie neue Formen der Digitalisierung in der industriellen Produktion analysieren.
Am Teilprojekt „Gestaltung digitaler Arbeitswelten: Möglichkeiten, Konzepte, Voraussetzungen“ sind folgende Forschende seit Beginn involviert: