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Jetzt anmelden19.04.2024
Am 11.04.2024 feierte das Zentrum für digitale Innovationen Niedersachen (ZDIN) die zehnte Ausgabe seiner Diskussionsveranstaltung „Digitaltalk Niedersachsen“. Thematisch ging es beim Jubiläum um Digitalisierung und Extremwetterereignisse. Das Zukunftslabor Wasser hatte Referent*innen aus Wissenschaft und Wirtschaft eingeladen, um über den Einsatz digitaler Technologien zur Vorhersage von Dürren und Hochwasser zu diskutieren.
Claudia van Veen moderierte die Diskussion, an der Egon Harms (Oldenburgisch-Ostfriesischer Wasserverband, OOWV), Prof. Dr. Claudia Pahl-Wostl (Universität Osnabrück) und Thomas Raabe (AquaEcology GmbH & Co. KG) teilnahmen. Der Sprecher des Zukunftslabors Wasser, Prof. Dr.-Ing. Jorge Marx Gómez (Carl von Ossietzky Universität Oldenburg), erklärte zu Beginn das Ziel des Zukunftslabors Wasser:
Wir beschäftigen uns mit wichtigen Fragen der Zeit. Denn der Klimawandel wirkt sich massiv auf unser Leben aus. Dürren im Sommer und Hochwasser im Winter sind keine Seltenheit mehr. Mit digitalen Innovationen, Künstlicher Intelligenz und Data Science wollen wir einem ressourcenschonenden und effizienten Wassermanagement entgegenkommen. In unserem Zukunftslabor vereinen wir Wissenschaft und Praxis, die gemeinsam forschen. Über Sensoren und Frühwarnsysteme beziehen wir auch die Öffentlichkeit in unsere Forschung mit ein.
Vorhersagen von Extremwettereignissen
Als Einstieg in die Diskussion bat Moderatorin Claudia van Veen die Referent*innen zu erklären, warum Vorhersagen von Extremwetterereignissen wichtig sind. Egon Harms ist Bereichsleiter für Wasserwirtschaft und Qualitätsüberwachung beim regionalen Wasserversorger OOWV. Er erklärte, dass Dürren und Hochwasser die Wasserversorgung vor große Herausforderungen stellten. Digitalisierung und Daten seien wichtig, um frühzeitig die richtigen Maßnahmen zu identifizieren und umzusetzen. Die Professorin für Ressourcenmanagement am Institut für Geographie und Institut für Umweltsystemforschung der Universität Osnabrück, Prof. Dr. Claudia Pahl-Wostl, betonte, dass das Wassermanagement anpassungsfähig und flexibel werden müsse. Historische Wetterdaten könnten nicht mehr dafür genutzt werden, zutreffende Vorhersagen zu erstellen, da der Klimawandel alles Bisherige verändere. Demzufolge müssten vollkommen neue Ansätze gedacht werden. Ein Beispiel seien resiliente Landschaften, die Pufferkapazitäten für extreme Wetterereignisse ermöglichten. Thomas Raabe ist Geschäftsführer des Instituts AquaEcology und erstellt u. a. Gutachten für Industrieunternehmen und Wasserversorger im Bereich der Gewässerökologie. Die dafür verwendeten Methoden seien oftmals althergebracht und könnten durch Digitalisierung effizienter werden. Insbesondere Künstliche Intelligenz (KI) habe das Potenzial, Analysen und Bewertungen schneller und präziser durchzuführen.
Anforderungen ans Wassermanagement
Auf die Frage, welches die zentralen Anforderungen ans Wassermanagement seien, antwortete Prof. Pahl-Wostl: Es sei wichtig, den Wasserhaushalt besser zu verstehen und Instrumente für das Management zu schaffen. Zudem müssten neue Formen gefunden werden, mit Risiken umzugehen. Hier sei zu klären, wie man Wissen nutzen und Erwartungshaltungen anpassen könne. Außerdem müsse man mehr in grüne Infrastruktur denken, zum Beispiel an die Integrität von Flusssystemen. Hiermit hätte man schon früher anfangen müssen. Daraufhin erklärte Harms die Sicht des Wasserversorgers: Dieser investiere Millionen Euro – über die Jahre hinweg sogar Milliarden – in die Infrastruktur mit dem Anspruch, dass diese 50 oder 100 Jahre halte. Dazu zählten z. B. Wasserwerke oder Leitungen. Diese Denkweise passe nicht mehr, da durch den Klimawandel alles unsicher geworden sei. Zudem käme die Infrastruktur auch an ihre Grenzen, weil der Wasserbedarf insgesamt gestiegen sei. Neue Investitionen in unsicheren Zeiten seien schwierig. Beim OOWV setzten sie schon seit einigen Jahren auf digitale Ansätze, z. B. um die Bedarfsentwicklung besser abschätzen zu können. Hierfür seien aber enorme Mengen an Daten erforderlich, die nicht immer vorlägen. Der Vorteil darin, dass die Digitalisierung des Wassermanagements langsam voranschreite, bestehe im Konsens: Gut durchdachte Lösungen mit verschiedenen Stakeholdern zu entwickeln, brauche Zeit und sei anstrengend, lohne sich aber.
Datenherkunft und –nutzung
Moderatorin van Veen griff die Datenthematik auf und fragte, wo die Daten herkämen, ob sie geteilt würden und wofür sie genutzt werden könnten. Prof. Pahl-Wostl erklärte, dass die Daten meistens bei Ämtern und Landesbehörden verortet seien. Problematisch sei der Zugang zu diesen Daten und die Tatsache, dass sie nicht harmonisiert bzw. vergleichsfähig seien. Die Verfügbarkeit müsse verbessert werden, dafür sei ein Kulturwandel bei den Ämtern erforderlich. Daten könnten z. B. für die Erstellung von Modellen genutzt werden, die die Komplexität der Wasserverfügbarkeit und –nutzung abbilden könnten. Dies sei hilfreich, um ein Bewusstsein für die Komplexität der Sachverhalte zu schaffen und Risiken einzuschätzen. Harms ergänzte ein Beispiel aus seinem Betrieb: Der OOWV habe ein geologisches Modell von Trinkwassereinzugsgebieten erstellt, um analysieren zu können, welche Flächen für den Grundwasserschutz geeignet seien. Die Erstellung dieses Modells sei sehr aufwändig gewesen, weil die Daten zum Teil in Aktenschränken bei den Behörden gelegen hätten. Es nehme viel Zeit in Anspruch, die Daten zu beantragen, zu vereinheitlichen und für das Modell aufzubereiten. Der Föderalismus der Behörden verstärke das Problem, da die erforderlichen Daten zum Teil auf unterschiedliche Ebenen (Kommunen, Länder, Bund) verteilt seien. Er wünsche sich, dass in Deutschland alle Daten öffentlich wären, die von einer öffentlichen Hand erhoben würden – so wie es in den USA üblich sei. Prof. Marx Gómez ergänzte, dass nicht nur die Bereitstellung der Daten wichtig sei, sondern auch die Standardisierung. Die Daten müssten vereinheitlich werden, damit eine Nutzung aufwandsarm möglich sei. Dies sei eine große Herausforderung. Raabe führte fort, dass es ein zentrales Datenerfassungssystem auf Bundesebene geben müsse, dass die Wasserdaten zusammenführe. Die marine Umweltdatenbank sei ein gutes Beispiel dafür. In vielen Bereichen gäbe es die Daten aber noch auf Papier.
Datenerhebung im Wassermanagement
Zur Veranschaulichung, wie Daten zu Extremwetterereignissen erfasst werden, zeigte Moderatorin van Veen Bilder aus dem Projekt NIVUS Rain des OOWV. Harms erklärte, dass Schwarmsensoren an Straßenlaternen angebracht würden, um zu erfassen, wo das Starkregenereignis langziehe und mit welcher Intensität. Das Projekt ziele darauf ab, Starkregenfälle frühzeitig zu erfassen und ein Vorwarnsystem für Rettungskräfte und das Katastrophenmanagement zu ermöglichen. Zehn Minuten mehr Zeit seien sehr hilfreich, um Entscheidungen über Maßnahmen zu treffen. Als weiteres Beispiel zeigte van Veen Bilder von der Probenentnahme in Gewässern von AquaEcology. Raabe beschrieb, dass die Proben und Daten oftmals manuell erfasst würden, um Bewertungen der Wasserqualität vornehmen zu können. Er habe die Hoffnung, dass dieser Vorgang zukünftig mit digitalen Technologien einfacher und effizienter sei. Prof. Pahl-Wostl unterstrich, dass die Datenerfassung mühsam und kostenintensiv sei, weshalb sie unbedingt geteilt werden müssen. Auf Basis der Daten müssten neue Risikokarten für Hochwassergebiete erstellt werden. Am Beispiel des Ahrtals sei deutlich geworden, dass die vorhandenen Risikoeinschätzungen viel zu niedrig gewesen seien. Zudem müsse ein Umdenken hinsichtlich Infrastruktur und Bauwesen erfolgen: Aufgrund des Klimawandels könne man nicht mehr für Jahrzehnte vorausplanen. Es bedürfe einer anpassungsfähigen Infrastruktur, flexibler Entscheidungsprozesse und einer überabeiteten Vergabe von Wasserrechten.
Künstliche Intelligenz im Wassermanagement
Ein weiteres Thema der Diskussion war die Rolle von KI im Wassermanagement. Raabe sagte, die Bedeutung von KI für prognostische Systeme nehme zu. Es seien schon Ansätze vorhanden, um datenbasierte Vorhersagen zu treffen, die KI müsse aber abgesichert und reguliert werden. Harms ergänzte, dass KI verlässliche Daten benötige, um verlässliche Vorhersagen zu treffen. Zudem liege die Verantwortung weiterhin beim Menschen, die KI sei als Unterstützung zu verstehen.
Weitere Themen der Diskussionen waren: Haftung bei falschen Messungen bzw. fehlerhaften Daten, Energie für die Datenverarbeitung, Möglichkeiten der Digitalisierung für den Umgang mit Dürren, Optionen für Bürgerengagement. Der „Digitaltalk Niedersachsen“ wurde in voller Länge aufgezeichnet und ist ab sofort auf der YouTube-Seite des ZDIN zu finden. Zum Abschluss der Veranstaltung bedankte sich Dr.-Ing. Agnetha Flore, Geschäftsführerin des ZDIN, bei den Referent*innen vor Ort und den Teilnehmer*innen an den Bildschirmen.
Ich danke auch unserem Publikum für die spannenden Fragen, die über den Chat in die Diskussion eingebracht wurden. Die Diskussion hat wieder einmal gezeigt, dass für innovative Lösungen der Austausch und die Mitwirkung verschiedener Perspektiven wichtig ist. Wir freuen uns auch schon darauf, dass wir dieses Jahr ein weiteres Zukunftslabor am ZDIN begrüßen dürfen: Das Zukunftslabor Kreislaufwirtschaft wird kurzfristig bekannt gegeben und dann seine Digitalisierungsforschung am ZDIN aufnehmen.
Das ZDIN bedankt sich herzlich bei seinen Dienstleister*innen, die seit zehn Ausgaben den „Digitaltalk Niedersachsen“ unterstützen und ermöglichen: Die Veranstaltungstechniker*innen der Firma TENO für die Organisation und Durchführung des Livestreams, die ehemalige Moderatorin Katharina Guleikoff und die aktuelle Moderatorin Claudia van Veen für die inhaltliche Vorbereitung und die Leitung der Diskussion vor Ort.
Interessent*innen sind herzlich eingeladen, sich über den Newsletter und den LinkedIn-Kanal des ZDIN über weitere Veranstaltungen und die Forschung der sieben – bald acht – Zukunftslabore zu informieren.
Über den „Digitaltalk Niedersachsen“
2021 startete das ZDIN die Diskussionsreihe „Digitaltalk Niedersachsen“, bei der Vertreter*innen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik aktuelle Themen der Digitalisierung diskutieren. Seitdem fanden zehn Diskussionen zu ganz unterschiedlichen Schwerpunkten statt – von der Gesundheitsprävention im Smart Home über Künstliche Intelligenz im Betrieb bis hin zur Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft und vieles mehr. Der „Digitaltalk Niedersachsen“ startete als Präsenzveranstaltung und wurde dann pandemiebedingt als Online-Format fortgeführt. Die Aufzeichnungen aller bisherigen Ausgaben befinden sich auf der Website und dem YouTube-Kanal des ZDIN.
Ansprechpartnerin für redaktionelle Rückfragen:
Kira Konrad B. A.
Marketing & Kommunikation
Zentrum für digitale Innovationen Niedersachsen (ZDIN)
Am OFFIS – Institut für Informatik, Escherweg 2, 26121 Oldenburg – Germany
Tel: 0441 9722-435
E-Mail: kira.konrad@zdin.de
www.zdin.de