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Jetzt anmeldenInnovative Technologien in Agrarbetrieben können dazu beitragen, Ressourcen effizienter einzusetzen und hochwertige Lebensmittel mit nachhaltigen Verfahren zu produzieren. Außerdem haben sie das Potenzial, tiergerechter zu wirtschaften und die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Weitere Aspekte der Digitalisierung der Landwirtschaft sind das Datenmanagement, die Autonomie der Agrartechnik sowie die Nachhaltigkeit einer digitalisierten Agrarbranche.
Informationstechnik ist bereits heute ein unverzichtbarer Teil moderner Maschinen und Prozesse in der Agrar und Ernährungswirtschaft. Sie ermöglicht eine umfassende Vernetzung und Integration von Maschinen, Prozessen und Akteuren im landwirtschaftlichen Wertschöpfungsnetz. Dadurch werden sich Strukturen, Anwendungsroutinen und Geschäftsmodelle sowie deren wirtschaftliche, soziale und geografische Umfelder verändern. Vernetzung stärkt das Informationspotenzial von Produzierenden und Konsumierenden im Wertschöpfungsnetz erheblich. Wichtige Informationen werden miteinander verknüpft, statt nur in ihrem engen Entstehungskontext nutzbar zu sein. So könnten z.B. Lohnunternehmer*innen ihre Prozesse auf Basis der Ertrags und Prozessdaten der letzten Zeit sowie der Eigenschaften des Saatguts im laufenden Jahr optimieren. Doch diese Informationen sind nicht frei verfügbar, sondern in den Systemen der Landwirt*innen abgespeichert, die auf diesen Feldern arbeiten, und die diese sensiblen Daten nicht unbedingt an Dritte weitergeben möchten. Gleichzeitig erlaubt die Vernetzung der Wertschöpfungsbeiträge, den gestiegenen Bedarf an Information und Transparenz durch Gesellschaft, Verwaltung und Politik zu befriedigen. Eine prozessübergreifende Datenvernetzung kann zeigen, dass Dünge- und Pflanzenschutzmittel in höchstem Maße bedarfs- und pflanzengerecht eingesetzt werden und dass präzise, situationsbezogene und individuelle Maßnahmen in der landwirtschaftlichen Tierhaltung zum Tierwohl betragen.
Um die Rolle der Daten für die Landwirtschaft 4.0 vollumfänglich begreifen zu können, ist ein Blick auf die Herkunft und Funktion der Daten unerlässlich. Die Landwirtschaft steht in der Verantwortung, qualitativ hochwertige Produkte herzustellen, die entweder direkt als Lebensmittel in den Handel kommen oder als Ausgangsprodukte für die Weiterverarbeitung von verschiedensten Lebensmitteln dienen. Diese Aufgabe ist hochkomplex, da sie von vielfältigen äußeren Faktoren wie Wetter und Bodeneigenschaften abhängt, die die Landwirt*innen nicht beeinflussen können. Dazu kommen weitere externe Einflüsse wie politische Rahmenbedingungen, veränderte Konsumgewohnheiten oder der Klimawandel. Insbesondere der Klimawandel beeinflusst die Agrarwirtschaft stark. Ungewöhnlich heiße Sommer und geringere Niederschläge mindern den Ernteertrag und gefährden Existenzen. Darüber hinaus wird der landwirtschaftliche Sektor in die Pflicht genommen, seinen Beitrag zur Begrenzung des Klimawandels zu leisten (z. B. Reduzierung von Emissionen). Die Betriebe geraten immer mehr unter Druck, moderne Methoden und Verfahren zum erreichen der Klimaschutzziele einzusetzen.
Die Digitalisierung der Landwirtschaft wird von speziellen Randbedingungen beeinflusst, die sowohl Chancen als auch Hürden darstellen. Dazu zählen der Umbruch von Betriebsstrukturen, gesellschaftliche Kritik an der landwirtschaftlichen Produktion sowie Zielkonflikte zwischen der ökonomischen, ökologischen
und sozialen Nachhaltigkeit. Über den Einsatz digitaler Technologien in Agrarbetrieben wird wesentlich
der wirtschaftliche Nutzen mit entscheiden.
Mit der intensiven Bewirtschaftung von Daten können Agrarbetriebe diese Faktoren, die zunächst Probleme darstellen, in Chancen umwandeln. Zum Beispiel, indem Daten für die frühzeitige und effiziente Planung verschiedener Produktionsprozesse eingesetzt werden, die Wochen, Monate oder Jahre dauern können. Dazu zählen u.a. moderne Verfahren zur ortsdifferenzierten und zielgerichteten Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Nutzflächen („Precision Farming”), bei denen langfristig verschiedene Kennwerte wie Erträge, Bodeneigenschaften und Nährstoffgehalte erfasst und dokumentiert werden. Ziel ist eine Intensivierung der Landwirtschaft auf einer gleich groß bleibenden Nutzfläche, die gleichzeitig für eine ökologische Entlastung z. B. durch feinteilig differenzierte Bearbeitung und Multikulturen sorgt.
Es wird deutlich, dass innovative Technologien in der modernen Landwirtschaft eine zentrale Rolle spielen. Aus diesem Grund beschäftigt sich das Zukunftslabor Agrar des ZDIN mit zwei zentralen Fragestellungen der Digitalisierung im Agrarsektor. Die erste Frage beschäftigt sich mit dem technischen und rechtlichen Kern und dem Nutzen: Wie kann die sog. „Geschützte Transparenz” in landwirtschaftlichen Wertschöpfungsnetzen realisiert werden? Dabei geht es darum, die landwirtschaftlichen Daten zwischen den einzelnen Gliedern des Wertschöpfungsnetzes bedarfsorientiert zu vernetzen und gleichzeitig das nachvollziehbare Interesse der verschiedenen Akteure an der Wahrung ihrer Datenhoheit zu gewährleisten. Um diesen Konflikt in der Praxis auszuräumen, wird ein neues Konzept benötigt, das sowohl die Datentransparenz als auch den Schutz der Datenhoheit berücksichtigt. Diese Geschützte Transparenz ist als praktische Voraussetzung für eine umfassende Digitalisierung in der Landwirtschaft an zusehen. Viele Prozesse in der modernen Agrarwirtschaft benötigen einen Austausch von Daten innerhalb des gesamten Wertschöpfungsnetzes. Das schließt zum einen vorgelagerte Prozesse ein, die z. B. zur Entscheidungsunterstützung bei der Saatauswahl oder der Planung zur Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln eingesetzt werden. Zum anderen geht es um nachgelagerte Prozesse, wie die Verarbeitung der Produkte oder den Verkauf im Handel. Durch die Vernetzung aller an der Wertschöpfung beteiligten Instanzen können spezifische Produktionsparameter als Information an die Produkte gekoppelt werden, sodass Produktionsketten für die Verbraucher*innen transparent werden und sie gezielt diversifizierte Lebensmittel auswählen können.
Bei der zweiten zentralen Frage des Zukunftslabors geht es um die Wirkung der Digitalisierung. Nur wenn sie sich umfassend auf die ökonomische, ökologische und soziale Nachhaltigkeit der Landwirtschaft auswirkt, ist die Digitalisierung sinnvoll und hilfreich. Dafür ist es erforderlich, die Voraussetzungen für die Digitalisierung der Landwirtschaft sowie ihre Auswirkungen zu verstehen, zu modellieren, zu dokumentieren und wenn möglich zu quantifizieren. Für die Akteure im Wertschöpfungsnetz (einschließlich Gesellschaft und Politik) wären belastbare Modelle von Nachhaltigkeitseffekten die Grundlage für eine rationale Entscheidung für oder gegen die Digitalisierung oder einen bestimmten Grad der Digitalisierung. Deswegen ist die Untersuchung der nachhaltigen Auswirkungen die zweite zentrale Fragestellung im Zukunftslabor Agrar.
Die Fragen nach der Geschützten Transparenz und der Nachhaltigkeit fließen in drei Teilprojekte ein, mit denen sich die beteiligten wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Partner intensiv beschäftigen. Um praxisorientiert zu forschen und die Ergebnisse öffentlichkeitswirksam präsentieren zu können, arbeiten die Beteiligten mit Versuchshöfen und Laboren zusammen.
THEMENSCHWERPUNKTE
ANALYSE DER DATENAUFZEICHNUNGEN UND DATENFLÜSSE IN DER LANDWIRTSCHAFT
Das Teilprojekt „Analyse der Datenaufzeichnungen und Datenflüsse” in der Landwirtschaft greift ein reales, akutes Problem im Alltag der Landwirt*innen auf: heterogene, proprietäre Datenmanagement Lösungen ohne durchgängige Standards. Seit der Einführung von Computern und Sensoren in der Landwirtschaft in den 1980er Jahren steigt das Datenvolumen kontinuierlich und dynamisch an. Mit Begriffen wie „Smart Farming”, „Digital Farming”, „eFarming”, oder „Landwirtschaft 4.0” wird der Einsatz von modernen Informations und Kommunikationstechnologien in der Agrarwirtschaft beschrieben, die kontinuierlich Daten erzeugen und in verschiedenen Systemen und Plattformen speichern. Diese Daten aus innerbetrieblichen Sensorsystemen in der Nutztierhaltung und im Pflanzenbau dienen den Landwirt*innen einerseits zur nachhaltigen Betriebsoptimierung. Andererseits dienen sie auch zur Dokumentation und zur Weiterleitung an staatliche Institutionen, wozu landwirtschaftliche Betriebe bzgl. einzelner Informationen gesetzlich oder einzelvertraglich (Stichwort: Handels-Label) verpflichtet sind.
Der bürokratische Aufwand ist für die Landwirtschaft und ebenso für die öffentliche Verwaltung schon heute hoch. Mit der zunehmenden Digitalisierung wird sich das Datenaufkommen in den kommenden Jahren nochmals deutlich erhöhen. Diese Entwicklung wird sich auch in der gesetzlichen Dokumentationspflicht widerspiegeln, da der Gesetzgeber das steigende Datenaufkommen registriert und daraus neue Meldeansprüche ableiten wird. Fehlende Standards und der Einsatz verschiedener Datenmanagement Lösungen, die untereinander zum Teil inkompatibel sind, erschweren die internen und externen Datenflüsse zusätzlich. Die Entwicklung entsprechender Standards und die Optimierung der Datenflüsse im gesetzlichen Meldewesen sind daher wichtige Aufgaben für die Forschung in der Landwirtschaft.
Eine fundierte Datengrundlage ist die Voraussetzung für eine Autonomisierung landwirtschaftlicher Prozesse. Nur wenn genügend Informationen über Art, Erhebung, Speicherung, Nutzung und Austausch der Daten sowie über Grenzen und Lücken im Datenfluss vorliegen, kann die Autonomisierung erfolgreich sein.
Die Wissenschaftler*innen dieses Teilprojekts betreiben zunächst eine umfassende Recherche zum Status Quo. Sie analysieren anschließend die aktuelle Datenlage, um Lücken in der geplanten durchgängigen Digitalisierung aufzudecken. Im nächsten Schritt entwickeln sie Konzepte und Lösungen zur Beseitigung der Datenlücken und zum Aufbau einer geschützten Transparenz. Schließlich leiten sie in der abschließenden Phase Anwendungsfälle und konkrete Projektideen ab.
PRAXISORIENTIERTE AUTONOMISIERUNG LANDWIRTSCHAFTLICHER VERFAHREN
Das Teilprojekt „Praxisorientierte Autonomisierung landwirtschaftlicher Verfahren” beschäftigt sich mit der Integration autonomer Systeme in der Landwirtschaft. Automatisierte und autonome Technologien sind bereits seit Jahren im Einsatz. So bringen beispielsweise Maschinen mit automatisierten Lenksystemen Saatgut oder Dünger auf den Feldern aus und sind dabei effizienter, ökonomischer und ökologischer als traditionelle von Hand gesteuerte Maschinen. Auch wenn die Landwirtschaft in Teilbereichen somit als Vorreiter der digitalen Transformation angesehen werden kann, so steht sie dennoch vor einem umfassenden Paradigmenwechsel.
Um autonome Systeme in Agrarbetriebe einführen zu können, müssen sie in die landwirtschaftlichen Prozesse eingebunden werden. Hierfür fehlt oftmals die Infrastruktur. Das betrifft z. B. die Logistik auf dem Feld oder Zulassungs- und Akzeptanzaspekte.
Die bisherigen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten konzentrierten sich vor allem auf zentrale landwirtschaftliche Prozesse und den Einsatz von Maschinen bei Saat, Pflanzenschutz und Ernte im Ackerbau sowie Weidehaltung oder Fütterung in der Tierhaltung. Für eine ganzheitliche digitale Transformation fehlen aber noch wichtige Bausteine in der Konfiguration der Arbeitsprozesse, der Zusammenstellung von Maschinen, der Feldlogistik, der Transportlogistik, der Interaktion zwischen Nutztieren und technischen Systemen sowie in verschiedenen Sicherheits- und Zulassungsfragen. Eine zentrale Rolle übernimmt dabei die Kooperation zwischen Mensch und digitalem System. Diese adaptive Autonomie umschließt eine Vielzahl von Anwendungsfällen, von der Assistenztechnologie in modernen Landmaschinen bis hin zu Remote-Farming-Konzepten für zukünftige autonome robotische Systemlösungen. Forschungs- und Entwicklungsergebnisse lassen sich durch die Vielzahl variabler Parameter nur dann in die landwirtschaftliche Praxis übertragen, wenn der Verknüpfung der Maschinen und Prozesse im Wertschöpfungsnetz auch eine Verknüpfung der entsprechenden lokalen Datenmodelle, also eine ganzheitliche Modellierung landwirtschaftlicher Verfahren zugrunde liegt. Dafür werden wiederum vielfältige Daten aus allen Prozessen der gesamten Verfahrenskette benötigt.
Die Wissenschaftler*innen dieses Teilprojekts erstellen unter anderem konkrete Konzepte zur adaptiven Autonomie. Auf der Basis dieser Konzepte und einer ganzheitlichen Modellierung realisieren sie jeweils anschauliche Anwendungsfälle für den Pflanzenbau und die Tierhaltung sowohl als digitaler Zwilling als auch prototypisch in einem landwirtschaftlichen Betrieb. Darüber hinaus untersuchen sie neue Produktionssysteme mit kleinräumigen Teilflächen („Spot Farming“) in der Praxis unter verschiedenen Rahmenbedingungen.
NACHHALTIGKEIT DER DIGITALISIERUNG IN DER NIEDERSÄCHSISCHEN LANDWIRTSCHAFT
Im Teilprojekt „Nachhaltigkeit der Digitalisierung in der niedersächsischen Landwirtschaft” wird eine ganzheitliche Nachhaltigkeitsanalyse der Digitalisierung in der Landwirtschaft durchgeführt, die auch die Auswirkungen der Digitalisierung auf landwirtschaftliche Arbeit, gesellschaftliche Ansichten und ländliche Räume inkludiert. Die Wissenschaftler*innen betrachten dabei die umfassende Nachhaltigkeit, die zusätzlich zu den ökologischen Aspekten auch ökonomische und soziale Nachhaltigkeitseffekte einschließt, ohne die eine praktische Umsetzung der Digitalisierung in der Landwirtschaft keinen Sinn ergäbe – ganz einfach, weil sie für die Beteiligten nicht akzeptabel wäre. Diese drei Säulen der umfassenden Nachhaltigkeit wurden wissenschaftlich bisher selten gemeinsam und praxisorientiert betrachtet, wodurch gegenseitige Beeinflussungen positiver oder negativer Art bislang vernachlässigt wurden. Für eine flächendeckende Digitalisierung im gesamten Wertschöpfungsnetz sind aber gesicherte Erkenntnisse über die Nachhaltigkeit zu erbringen, da sonst die nötige Überzeugung für den breiten Einsatz digitaler Technologien kaum zu erreichen sein wird.
Die Digitalisierung konfrontiert Agrarbetriebe zunehmend mit Nachhaltigkeitsfragen in verschiedenen Dimensionen. Bislang unerforschte Herausforderungen und Potentiale bergen beispielsweise digitalisierungsbedingte Veränderungen der Umweltwirkungen, der Kostenstrukturen und des Arbeitsalltags in der landwirtschaftlichen Praxis. Nur Studien, die sowohl die ökologische als auch die ökonomische und soziale Nachhaltigkeit berücksichtigen, können dazu verlässliche Erkenntnisse für Politik und Unternehmenspraxis liefern.
In drei zeitlich aufeinander folgenden Arbeitspaketen geht es zunächst um die Ermittlung der ökologischen Nachhaltigkeit verschiedener Technologien aus den Bereichen „Precision Farming”, „Fernerkundung” und „Automatisierung und Robotik”. Hierbei werden die Umweltwirkungen über den gesamten Lebenszyklus hinweg analysiert („Life Cycle Assessment”) und bislang meist vernachlässigte Nebeneffekte („second order effects”) berücksichtigt. Anschließend werden die Lebenszykluskosten („Life Cycle Costing”) zur Bestimmung der ökonomischen Nachhaltigkeit ermittelt. Schließlich wird mittels „Social Life Cycle Assessment” die soziale Komponente als dritte Säule der umfassenden Nachhaltigkeit einbezogen. Sie umfasst die Entwicklung des ländlichen Raums, die Akzeptanz der zunehmenden Technisierung sowie die Arbeitsbedingungen in landwirtschaftlichen Betrieben. Bislang fehlt es an plausiblen Modellen der umfassenden Nachhaltigkeit in der Digitalisierung der Landwirtschaft. Diese zu entwickeln, zu vermitteln und zu demonstrieren ist eine der zentralen Zielsetzungen des Zukunftslabors, damit die Digitalisierung der Landwirtschaft von allen Partnern im Wertschöpfungsnetz sowie von der Politik und den Verbraucher*innen als fortschrittliche und lohnende Alternative zur konventionellen Lebensmittelproduktion angesehen wird.